Abhörskandal belastet US-Regierung Obama wird bereits mit Nixon verglichen

Washington · Weil Reporter Informationen über einen CIA-Einsatz im Jemen sammelten, ließ das US-Justizministerium sie abhören. US-Präsident Barack Obama stürzt das in die wohl schwerste Krise seiner Präsidentschaft. In US-Medien wird er bereits in einem Atemzug mit Richard Nixon und dem Watergate-Skandal genannt.

Der Watergate-Informant Mark Felt
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Holders Ressort ließ zwei Monate lang Telefone von AP-Reportern überwachen, sowohl dienstliche als auch private. Eine Abhöraktion im klassischen Sinn war es nicht, vielmehr wurden lückenlos Verbindungsdaten aufgezeichnet, um undichte Stellen im Regierungsapparat aufzuspüren. Nach Angaben der Nachrichtenagentur hat man im April und Mai 2012 bei mehr als 20 Anschlüssen die Nummern aller ein- und ausgehenden Anrufe registriert. Mehr als 100 Journalisten waren betroffen.

Angefacht wurde die Paranoia durch eine Geschichte aus der Schattenwelt der geheimen Terrorabwehr. Im Frühjahr vergangenen Jahres recherchierten mehrere AP-Büros mit großem Aufwand, was dran war an Hinweisen auf einen vereitelten Anschlag auf eine Transatlantik-Maschine mit Kurs auf die Vereinigten Staaten. Demnach wollte ein Al-Qaida-Ableger im Jemen einen Selbstmordattentäter in Marsch setzen, damit er an Bord einen in seine Unterwäsche eingenähten Sprengsatz zündete. Ein ähnliches Komplott war gescheitert, als der Nigerianer Umar Farouk Abdulmutallab, ebenfalls im Jemen geschult, Weihnachten 2009 beim Anflug auf Detroit von couragierten Passagieren überwältigt werden konnte. Knapp zweieinhalb Jahre darauf, so berichtete AP, wollte die Terrorzelle den Versuch wiederholen, diesmal mit verbessertem Zünder. Letztlich soll sie jedoch auf einen Doppelagenten hereingefallen sein, der zwar den Sprengstoff in Empfang nahm, aber nie an ein Attentat dachte.

Ausgerechnet Obama

Dem Kabinett Barack Obamas passten die Enthüllungen politisch nicht ins Konzept: Es war kurz nach dem Jahrestag der Tötung Osama bin Ladens, für Schlapphüte ein brisanter Termin, und nichts sollte das Vertrauen des fliegenden Publikums erschüttern. Später warf John Brennan, oberster Antiterrorberater im Weißen Haus, den Nachrichtenleuten in entrüsteter Tonlage vor, sie hätten "auf gefährliche Weise" geheime Informationen veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Justizminister bereits die heimliche Telefonüberwachung angeordnet, um das Informationsleck aufzuspüren. Ins Visier gerieten AP-Filialen in Washington, New York und Hartford, der Provinzmetropole des Bundesstaats Connecticut.

Der Skandal schlägt auch deshalb so hohe Wellen, weil er auf das hartnäckig wiederholte Verhaltensmuster von Kontrollfreaks in Justizressort und Oval Office schließen lässt. Gegen sogenannte Whistleblower — Insider, die sich an die Medien wenden, um interne Missstände aufzudecken — geht das Kabinett Obama mit einer Härte vor, wie man sie seit Richard Nixon bei keinem amerikanischen Präsidenten kannte — ausgerechnet Obama, einst Professor für Verfassungsrecht und Hoffnungsträger des linksliberalen Amerika.

Stets ist von der Gefährdung der Sicherheit die Rede

In sechs Fällen kamen Ermittlungen in Gang, unter anderem gegen einen früheren CIA-Mann, der detailliert schilderte, wie Terrorverdächtige mittels Wasserfolter zum Reden gebracht werden sollten, und gegen einen Ex-Offizier des Abhörgeheimdienstes NSA, der den Kauf überteuerter Software an die große Glocke hängte. Jedes Mal war schwammig von einer Gefährdung der nationalen Sicherheit die Rede. Carl Bernstein nennt es kurz und direkt einen Vorwand: "Wann immer die Regierung zu verheimlichen versucht, was die Öffentlichkeit wissen sollte, beruft sie sich auf die Sicherheit der Nation."

(RP/pst)
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