TV-Gipfel um Gesundheitsreform Obama fordert seine Gegner zum Duell

Washington (RPO). Die politische Not hat den Präsidenten erfinderisch werden lassen. Am Donnerstag empfängt US-Präsident Barack Obama Spitzenvertreter der Demokraten und der Republikaner, um vor laufenden Kameras über seine akut gefährdete Gesundheitsreform debattieren zu lassen.

Die Kernpunkte von Obamas Gesundheitsreform
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Foto: AP

Als Instrument der Entscheidungsfindung ist ein solches Forum in der Verfassung nicht vorgesehen. Obama will mit dem Manöver die Lähmung durchbrechen, die den parlamentarischen Betrieb in Washington befallen hat. Der Präsident hält einige Trümpfe in der Hand, um seinen Gegner in Zugzwang zu bringen.

Niemand in Washington erwartet, dass der als "Gesundheitsgipfel" angekündigte Schlagabtausch im Fernsehen den Durchbruch für Obamas Prestigeprojekt bringen wird. Obamas Kalkül dürfte vielmehr sein, mit der Veranstaltung endlich wieder in die Offensive zu kommen. Der Präsident will zum einen die gegnerischen Republikaner unter Druck setzen, ihre Blockadehaltung aufzugeben und endlich einen eigenen Reformvorschlag vorzulegen. Zum anderen bereitet er den Boden für ein gewagtes parlamentarisches Rettungsmanöver, sollten die Republikaner wie erwartet seine Avancen abschmettern.

"Mit dem Treffen bezweckt der Präsident, dem Thema Gesundheitsreform einen neuen Rahmen zu geben und zu zeigen, dass er über die Parteigrenzen hinweg arbeitet", sagt Politikprofessor Steven Smith von der Washington University in St. Louis. Die US-Wähler honorierten solche Dialogversuche, da sie des Parteiengezänks überdrüssig seien. Obama umwirbt die Republikaner, weil für die Verabschiedung eines Gesetzes in der Regel 60 der 100 Stimmen im Senat nötig sind. Seit der Niederlage bei einer Nachwahl in Januar haben Obamas Demokraten nur noch 59 Senatoren, die Republikaner haben eine Sperrminorität.

Obama dürfte darauf spekulieren, dass die Republikaner am Donnerstag vor den Augen der Nation ihre Blockadehaltung bekräftigen. Sie haben schließlich wenig Grund, dem Präsidenten vor der Kongresswahl im Herbst zu einem gesetzgeberischen Triumph zu verhelfen. Obama könnte dies zum Anlass nehmen, die Republikaner als kühl kalkulierende Neinsager abzustempeln - und den gewagten Versuch starten, die Reform mit einem Verfahrenskniff mit der einfachen Mehrheit von 51 Stimmen doch noch durch den Senat zu peitschen.

Dafür hat der Präsident zwei Trümpfe in der Hand. Der eine Trumpf ist, dass der Senat im Dezember bereits einen Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform verabschiedet hat - kurz bevor die Demokraten ihre 60-Stimmen-Mehrheit verloren. Dieser Entwurf ist aber selbst nach Auffassung vieler Demokraten verbesserungsbedürftig.

Hier kommt der zweite Trumpf ins Spiel, ein parlamentarisches Verfahren namens "Reconciliation". Es sieht vor, dass Haushaltsgesetze im Senat mit einer einfachen Mehrheit von 51 Stimmen verabschiedet werden. Der Ausweg könnte so aussehen, dass die zweite Kongresskammer - das Repräsentantenhaus, in dem Obamas Demokraten die Mehrheit haben - zunächst den Senatsentwurf verabschiedet. Im "Reconciliation"-Verfahren würden dann ergänzend die nötigen Änderungen als haushaltsrechtliche Regelungen verabschiedet.

Der Politikexperte Thomas Mann vom Washingtoner Brookings-Institut hält das "Reconciliation"-Verfahren "nicht nur für verfassungsgemäß, sondern sogar für geboten". Obama meine es durchaus ernst mit dem Treffen, "aber er erwartet zu Recht keine Kompromissbereitschaft und kein ernsthaftes Engagement der Republikaner."

Ein solcher Weg würde freilich Risiken für Obama und seine Partei bergen. Die Republikaner würden ihm erbost politische Tricksereien vorwerfen. Der Präsident kann sich nicht einmal sicher sein, ob ihm seine eigene Partei zu der im "Reconciliation"-Verfahren erforderlichen einfachen Mehrheit verhilft. Im November sind Kongresswahlen, viele demokratische Abgeordnete fürchten um ihre Sitze, sollten ihnen die Wähler daheim im Wahlkreis das Eintreten für die unpopuläre Reform verübeln.

(AFP/spo)
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