Erdbeben-Katastrophe in Haiti Obama bekämpft das Trauma von New Orleans

Washington (RPO). Für US-Präsident Barack Obama ist die Erdbeben-Katastrophe in Haiti ein wichtiger Test. Das Trauma von New Orleans, als Bushs unfähige Katastrophenbehörde Fema nach dem Hurrikan Katrina gestrandete Menschen im Stich ließ, zumeist Menschen dunkler Hautfarbe – in Haiti soll es sich nicht wiederholen.

Redjeson ist das kleine Wunder von Port-au-Prince
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Washington (RPO). Für US-Präsident Barack Obama ist die Erdbeben-Katastrophe in Haiti ein wichtiger Test. Das Trauma von New Orleans, als Bushs unfähige Katastrophenbehörde Fema nach dem Hurrikan Katrina gestrandete Menschen im Stich ließ, zumeist Menschen dunkler Hautfarbe — in Haiti soll es sich nicht wiederholen.

Es ist eine jener Situationen, in denen der Präsident das ganze eindrucksvolle Instrumentarium seiner Macht ausspielen kann. Barack Obama setzte einen Flugzeugträger in Richtung Haiti in Bewegung, tausende Soldaten erhielten den Marschbefehl in die Erdbebenregion, 100 Millionen Dollar Hilfsgelder sollen die erste Not lindern. Mit einer immensen Mobilmachung reagierte Obama auf die erste humanitäre Katastrophe seiner Amtszeit und setzte sich als oberster Krisenmanager an die Spitze der weltweiten Hilfsbemühungen. Hinter der Kraftanstrengung steht nicht nur aufrichtige Betroffenheit, sondern auch politisches Kalkül.

Entschlossenheit, die viele Bürger vermissen

Im Umgang mit der Tragödie in der Karibik demonstriert Obama jene Entschlossenheit, die viele Bürger nach dem vereitelten Terroranschlag auf das Delta-Flugzeug nach Detroit bei ihm vermisst hatten. Sofort berief er einen Krisenstab ein, sagte Auftritte außerhalb Washingtons ab, rief seine wichtigsten Minister von Auslandsreisen zurück und kündigte an, alle diplomatischen und militärischen Machtmittel der USA für die Katastrophenhilfe zu nutzen. "Wir bieten jedes Element unserer nationalen Ressourcen an: unsere Diplomatie, unsere Entwicklungshilfe, die Macht unseres Militärs und - am allerwichtigsten - das Mitgefühl unseres Landes", sagte er.

Haiti und USA — arm und reich

Nur wenige hundert Kilometer trennen Haiti von der Südküste der USA, doch zwischen beiden Ländern liegen Welten. Die USA sind das reichste Land der westlichen Hemisphäre, Haiti ist das ärmste. Spannungen bleiben nicht aus, wenn blanke Armut und Überfluss so nahe beieinander liegen: Immer wieder machten sich in den letzten Jahrzehnten Bootsflüchtlinge aus Haiti in die USA auf. Willkommen sind sie nicht, inzwischen leben dort mehr als 400.000 gebürtige Haitianer. Durch die Hilfe vor Ort wollen die USA eine neue Flüchtlingswelle verhindern. Außerdem ist es ihr strategisches Ziel, einen Unruhestaat in ihrem Hinterhof zu vermeiden, der zur Drehscheibe für den Drogenhandel werden könnte.

Kampf gegen Anarchie und Chaos

Also sorgen US-Sicherheitskräfte inzwischen auf dem Flughafen von Port-au-Prince für Ordnung. P-3-Aufklärungsflugzeuge der US-Marine kreisen über der haitianischen Hauptstadt und dokumentieren das Ausmaß der Zerstörung. Etwa 5000 US-Soldaten sollen in den kommenden Tagen eintreffen. Zu ihrem Auftrag zählt auch, ein Abgleiten des Landes in Anarchie und Chaos zu verhindern: Der Weltpolizist USA sorgt in seinem Hinterhof für Ordnung. Flugzeuge, Helikopter und Schiffe der US-Streitkräfte sind unterwegs, ein Krankenhausschiff ebenfalls. US-Armeesprecher Gary Tallman machte klar: "Wir wollen die Führung übernehmen."

Haiti: Musterbeispiel für internationales Versagen

Der Einsatz knüpft an eine tragische Geschichte an, die beide Länder verbindet. Die USA und Haiti waren die ersten freien Republiken des amerikanischen Kontinents: Die USA sagten sich 1776 von der Kolonialmacht Großbritannien los, Haiti 1804 in einem Sklavenaufstand von Frankreich. Damals war Haiti ein reicher Plantagenstaat. Heute ist Haiti ein Musterbeispiel dafür, wie eine korrupte Führungselite, eine verfehlte Wirtschaftspolitik und das Versagen internationaler Organisationen ein potenziell reiches Land in schreiendes Elend führen können.

Bereits 1915 besetzten die USA Haiti militärisch, um Chaos und Anarchie ein Ende zu machen. Erst 1934 zogen sie wieder ab. Von 1957 an stützten sie die blutige Familiendiktatur der Duvaliers, die erst 1986 gestürzt wurde. 1994 marschierten die USA erneut für kurze Zeit ein, um dem gestürzten demokratischen Präsidenten Jean-Bertrand Ariside zurück ins Amt zu verhelfen.

Paradoxerweise bedurfte es der Erdbebenkatastrophe, um der langen Leidensgeschichte des Zehn-Millionen-Volks weltweite Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen. Bei aller Tragik berge die Katastrophe doch die Chance für einen Neubeginn, sagte Obama: "Das haitianische Volk hat eine Geschichte der Sklaverei und des Kampfes überstanden, hat Desaster und Erholung erlebt. Wir wissen: Es ist ein starkes, ein tapferes Volk."

(AFP/tim)
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