Putins Antrittsbesuch in Berlin Nur der Hauch einer Annäherung

Berlin/Washington · Beim Antrittsbesuch von Russlands Präsident Wladimir Putin bei Angela Merkel in Berlin begrüßten sich die alten Bekannten im Kanzleramt mit Wangenkuss – doch inhaltlich blieben deutliche Differenzen vor allem mit Blick auf das Handeln der internationalen Gemeinschaft in Syrien. Seit Michael Gorbatschows berühmten Worten wissen deutsche Politiker: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Als Wladimir Putin am Freitag bei seinem Antrittsbesuch als russischer Präsident eine Stunde zu spät ins Kanzleramt kam, belohnte ihn Bundeskanzlerin Angela Merkel mit einer besonders herzlichen Geste – mit Wangenkuss. Es blieb indes die einzige Annäherung.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Wladimir Putin in Berlin zu einem mehrstündigen Gespräch empfangen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Wladimir Putin in Berlin zu einem mehrstündigen Gespräch empfangen.

Foto: dpa, Michael Kappeler

Beim Antrittsbesuch von Russlands Präsident Wladimir Putin bei Angela Merkel in Berlin begrüßten sich die alten Bekannten im Kanzleramt mit Wangenkuss — doch inhaltlich blieben deutliche Differenzen vor allem mit Blick auf das Handeln der internationalen Gemeinschaft in Syrien.

Seit Michael Gorbatschows berühmten Worten wissen deutsche Politiker: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Als Wladimir Putin am Freitag bei seinem Antrittsbesuch als russischer Präsident eine Stunde zu spät ins Kanzleramt kam, belohnte ihn Bundeskanzlerin Angela Merkel mit einer besonders herzlichen Geste — mit Wangenkuss. Es blieb indes die einzige Annäherung.

Denn nur auf dem Feld der Wirtschaftsbeziehungen sind Merkel und Putin derzeit auf einer Wellenlänge. Der Gast verwies mit Freude auf den Anstieg der deutsch-russischen Handelsgeschäfte um ein sattes Drittel, und dazu lächelte auch Merkel: Auch weiterhin werde Deutschland Russland bei der Modernisierung seiner Wirtschaft unterstützen, betonte sie. Allerdings, als Merkel auch eine Stärkung der Demokratie in Russland einforderte, blieb Putin schweigsam.

"Ab und zu" gebe es Unterschiede in den Auffassungen zu Syrien, sagte Merkel in ausgesuchter diplomatischer Höflichkeit. Wenigstens war sie sich mit Putin einig, dass in Syrien derzeit "schreckliche Zustände" herrschten. Über die Konsequenzen daraus für das Agieren der Weltgemeinschaft kamen sich beide Seiten jedoch offensichtlich nicht näher. So ließ Putin offen, ob auch er zu "ergänzenden politischen Aktivitäten" Ja sagt, wie Merkel sie ankündigte.

Putin: Unterstützen nicht das Regime, sondern das syrische Volk

Putin warnte davor, den Syrien-Friedensplan des Sondergesandten Kofi Annan vorschnell für gescheitert zu halten. Und er versuchte auch, aus der Rolle eines der letzten verbliebenen Freunde des syrischen Herrschers Baschar al Assad zu schlüpfen. Es sei ein Irrtum, dass Moskau das Regime in Damaskus unterstütze, sagte Wladimir Putin in Berlin. Russland unterstütze keine der beiden Seiten. Aber es verhinderte wiederholt Verurteilungen des syrischen Regimes durch den Weltsicherheitsrat und rückte nach dem jüngsten Massaker in der Provinz Homs nur sachte von dieser Linie ab.

Auch dieses Mal wiederholte Putin nur, dass "nichts mit Gewalt erwirkt" werden dürfe. Da wurde US-Außenministerin Hillary Clinton schon deutlicher. Russland wünsche zwar keinen Bürgerkrieg in Syrien, doch die Politik Moskaus trage genau dazu bei, kritisierte Clinton bei einem Besuch in Dänemark. Auch die amerikanische UN-Botschafterin Susan Rice nahm kein Blatt vor den Mund: "Die Gewalt eskaliert, der Konflikt weitet sich aus, er greift auf andere Länder der Region über und nimmt zunehmend konfessionelle Formen an", lautete ihr Szenario.

Damit wäre es nicht mehr nur eine syrische Krise, sondern eine des gesamten Nahen Ostens. Der Friedensplan Kofi Annans wäre vollends Makulatur, von allen Seiten würden Waffen nach Syrien fließen, die Folge wäre ein Stellvertreterkrieg unter Beteiligung sämtlicher regionaler Akteure, von Saudi-Arabien bis zum Iran. In Washington gibt es niemanden, der Rice widersprechen würde. Allerdings stößt fünf Monate nach dem Abzug der letzten GIs aus dem Irak allein der Gedanke an eine neuerliche Invasion auf eine enorme Hemmschwelle.

"Wir sind nicht einmal in der Nähe einer Koalition, die den Schmerz des syrischen Volkes lindern könnte", sagt Clinton. Vielmehr soll mit Hilfe Putins Assad aus dem Amt gedrängt werden, ohne dass unberechenbare Islamisten das Ruder übernehmen. Dies ist der Kern des Konzepts von US-Präsident Barack Obama. Doch inzwischen räumt sein Sprecher ein: "Das Zeitfenster für eine friedliche Lösung steht nicht ewig offen."

Romney nutzt Syrien-Krise für Attacke auf Obama

Obama-Herausforderer Mitt Romney wiederum nutzt im US-Wahlkampf die schrecklichen Bilder syrischer Massaker, um Obama Führungsschwäche zu unterstellen: "Die Welt wartet auf Amerika, und wir sitzen da mit verschränkten Armen, darauf wartend, dass sich die Dinge so arrangieren lassen, dass sie der Welt gefallen." John McCain, 2008 Rivale Obamas im Duell ums Weiße Haus, vergleicht Syrien bereits seit Monaten mit dem Bosnien der 90er Jahre. Keith Ellison, der erste Muslim, der den Sprung in den US-Kongress schaffte, verlangt als erstes bewaffneten Schutz für einen sichere Zone an der türkischen Grenze: "Es einfach auszusitzen, das ist keine Option."

(RP/felt/csr)
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