Fall Travis King Nordkorea nutzt Grenzübertritt von US-Soldat für Propaganda

Update | Seoul · Ein US-Soldat sitzt in Südkorea eine Strafe ab, dann überquert er die Grenze nach Nordkorea. Über sein Motiv spricht nun nicht er, sondern das Sprachrohr des autokratisch beherrschten Landes.

Ein gerahmtes Foto des in Nordkorea festgehaltenen US-Soldaten in der Wohnung von dessen Großvater in den USA (Archivfoto).

Foto: AP/Morry Gash

Nordkoreas Machtapparat hat sich erstmals zum Verbleib eines jungen US-Soldaten geäußert, der vor einem Monat unerlaubt die innerkoreanische Grenze übertreten hatte. Er habe bei Ermittlungen zugegeben, illegal nach Nordkorea eingedrungen zu sein, berichteten die staatlich kontrollierten Medien des abgeschotteten Landes am Mittwoch. Er soll aus Verärgerung über „die unmenschliche Behandlung und die rassistische Diskriminierung in der US-Armee“ nach Nordkorea übergetreten sein. Pjöngjang zufolge äußerte der Soldat, der selbst schwarz ist, den Wunsch, in Nordkorea oder einem Drittland Zuflucht zu suchen, weil er angesichts „der ungleichen amerikanischen Gesellschaft desillusioniert“ sei.

Die Darstellung Nordkoreas zu den angeblichen Motiven des Mannes lässt sich nicht unabhängig überprüfen. Die USA hatten bisher keinen direkten Zugang zu Travis K. Beide Länder unterhalten keine diplomatischen Beziehungen. Der Fall des Soldaten gibt seit seinem Verschwinden im Juli Rätsel auf. Über seine Motive und Pläne war zunächst nichts bekannt.

Die US-Regierung erklärte, sie könne die Aussagen, die dem US-Soldaten zugeschrieben würden, nicht verifizieren. Man habe bisher ohne Erfolg über verschiedene Kanäle versucht, mit den Nordkoreanern in Kontakt zu treten, sagte ein Sprecher des US-Außenministeriums.

„Es ist wohl halb wahr, halb Propaganda“, sagte der Nordkorea-Experte und frühere Forscher beim südkoreanischen Institut für Nationale Vereinigung, Park Young Ho, zu den angeblich gemachten Aussagen des Soldaten. Keiner wisse, was Travis K. wirklich wolle. Unklar sei, ob es wegen des Falls zu einer Vereinbarung zwischen Washington und Pjöngjang kommen könne. Nordkorea, das vor allem wegen seines Atomwaffenprogramms international weitgehend isoliert ist, wirft den USA seit Jahrzehnten eine feindselige Politik vor.

Nach Angaben der US-Streitkräfte in Südkorea hatte der Soldat an einer kommerziellen Tour entlang des südkoreanischen Teils der entmilitarisierten Zone teilgenommen und dann die Grenze zu Nordkorea absichtlich übertreten. Wie das US-Verteidigungsministerium später mitteilte, hätte der Soldat eigentlich nach Hause zurückkehren sollen. In Südkorea hatte er demnach wegen einer Straftat eine gewisse Zeit in einer Haftanstalt verbracht.

Die sogenannte entmilitarisierte Zone trennt die beiden koreanischen Staaten voneinander. In den vergangenen Jahrzehnten überquerten mehrfach US-Amerikaner die Grenze zu Nordkorea ohne Erlaubnis. Dort wurden sie meist zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt und erst nach langen Verhandlungen wieder freigelassen.

(peng/dpa)