USA kündigen Raketenabwehr an Nordkorea droht Washington offiziell mit Atomangriff

Seoul · Nordkorea pokert immer höher – und droht den USA offiziell mit einem Atomangriff. Den Südkoreanern verbietet Pjöngjang den Zutritt zur Sonderwirtschaftszone Kaesong, die letzte Verbindung ist damit gekappt. Die USA rüsten sich im Pazifik mit einer Raketenabwehr.

Kampfbereitschaft: Nordkorea mobilisiert Massen
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Nordkorea pokert immer höher — und droht den USA offiziell mit einem Atomangriff. Den Südkoreanern verbietet Pjöngjang den Zutritt zur Sonderwirtschaftszone Kaesong, die letzte Verbindung ist damit gekappt. Die USA rüsten sich im Pazifik mit einer Raketenabwehr.

Neue Eskalationsstufe im Nordkorea-Konflikt: Nach der Entsendung zweier US-Kriegsschiffe in den West-Pazifik hat das Regime in Pjöngjang den USA offiziell mit einem möglichen Atomschlag gedroht. Militärische "Operationen ohne jede Rücksicht" seien nun bewilligt, gab die oberste Militärführung in einer an Weißes Haus und Pentagon gerichteten Mitteilung vom Donnerstag bekannt, wie die südkoreanische Agentur Yonhap berichtete. Das schließe auch Atomwaffen neuester Bauart ein. Nordkorea verfügt nach Ansicht von Experten allerdings nicht über die technischen Mittel, das US-Festland mit Langstreckenraketen anzugreifen.

Ein Sprecher des Generalstabs der nordkoreanischen Volksarmee erklärte, er informiere die Regierung und das Verteidigungsministerium in Washington offiziell darüber, dass "dieser gnadenlose Einsatz der Streitkräfte" endgültig geprüft und genehmigt worden sei. Die "stetig eskalierende feindselige Politik der USA gegen Nordkorea sowie ihre rücksichtslose nukleare Drohung" würden "vom starken Willen" der gesamten Streitkräfte und des Volkes sowie "kleineren, leichteren diversifizierten nuklearen Angriffsmitteln auf dem neuesten Stand" niedergeschmettert.

Ultimatum an Südkorea

Zuvor hatte Pjöngjang Pendlern aus Südkorea den Zugang zur gemeinsamen Sonderwirtschaftszone Kaesong untersagt - und damit die letzte Verbindung zum Süden gekappt. Südkoreas Verteidigungsminister Kim Kwang Jin drohte mit militärischen Aktionen, sollte seinen in dem Industriepark verbliebenen Landsleuten Gefahr drohen.

Ein Sprecher der Vereinigung der ansässigen Firmen sagte am Donnerstagmorgen, Nordkorea habe den Unternehmen eine Frist gesetzt, um den gemeinsam betriebenen Industriekomplex zu verlassen. Die Firmen seien aufgefordert, sich bis Mittwoch (10. April) komplett zurückziehen, sagte der Sprecher. Die südkoreanische Regierung wies den Bericht allerdings umgehend als falsch zurück. Kaesong blieb am Donnerstag den zweiten Tag in Folge für den Süden geschlossen. Offenbar wurde es 222 südkoreanischen Arbeitern aber erlaubt, das Gelände zu verlassen. Damit wären dann noch 606 Südkoreaner in Kaesong. Bisher ist die Sonderwirtschaftszone selten in die Konflikte auf der koreanischen Halbinsel hineingezogen worden.

USA kündigen Raketenabwehr im Pazifik an

Die USA rüsten sich weiter im Pazifik und kündigten am Mittwoch die Entsendung eines Raketenabwehrsystems zum US-Stützpunkt auf der Insel Guam an. Ein nordkoreanischer Angriff mit Mittelstreckenraketen etwa auf die US-Truppen in Südkorea oder Militärstützpunkte in Japan liegt nach Experteneinschätzung durchaus im Bereich des Möglichen. Ferner kann das Land mit seinen Raketen Ziele in ganz Südkorea erreichen.

Die Südkoreaner, die sich in Kaesong in der nordkoreanischen Grenzregion aufhielten, konnten am Mittwoch auf eigenen Wunsch zurückkommen. Bis zum Abend (Ortszeit) kehrten nach offiziellen Angaben 33 von mehr als 860 Südkoreanern aus Kaesong heim.

Der weitgehend von südkoreanischer Seite finanzierte Komplex Kaesong ist das einzige noch verbliebene Kooperationsprojekt zwischen beiden verfeindeten Ländern. Der nur einige Kilometer von der schwer bewachten Grenze entfernte Industriepark gilt als wichtiger Devisenbringer für den verarmten, aber hochgerüsteten Norden.

Nordkorea habe Südkorea am Morgen informiert, den Zutritt nicht mehr zu erlauben, die Südkoreaner in Kaesong aber ausreisen zu lassen, sagte eine Sprecherin des Vereinigungsministeriums. Die verbliebenen Arbeiter wollten offenbar dafür sorgen, dass die Fabriken normal weiterlaufen könnten, hieß es.

Sollten jedoch keine Rohmaterialien für die Produktion der 123 südkoreanischen Unternehmen in Kaesong mehr eingehen, wäre eine Schließung des Industrieparks letztlich unvermeidlich. Mehr als 50.000 niedrig bezahlte Nordkoreaner arbeiten für die Unternehmen. Es werden dort unter anderem Textilien und Bekleidung, Haushaltsgeräte sowie Autoteile hergestellt. Im vergangenen Jahr wurden in dem Komplex Güter im Wert von rund 470 Millionen Dollar produziert.

Südkorea hält sich "alle Optionen offen"

Südkoreas Verteidigungsminister wurde von einem Abgeordneten der regierenden Saenuri-Partei mit den Worten zitiert, dass man sich "alle Optionen" offen halten werde und nötigenfalls die Landsleute aus Kaesong rausholen müsse. Regierungsbeamte in Seoul stellten aber klar, dass Militäraktionen nur die "allerletzte Option" seien. 2009 hatte Nordkorea einmal vorübergehend die Grenze bei Kaesong komplett dicht gemacht.

Außenminister Guido Westerwelle würdigte in einem Telefonat mit seinem Kollegen in Seoul die verantwortungsvolle Reaktion Südkoreas.
"Besonnenheit sei das Gebot der Stunde, um in dieser schwierigen Lage auf eine Deeskalation hinzuwirken", erklärte er.

Die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel gelten seit dem dritten Atomtest in Nordkorea im Februar als äußerst gespannt. Pjöngjang hatte als Reaktion auf die Ausweitung von UN-Sanktionen und südkoreanisch-amerikanische Militärmanöver den Waffenstillstandsvertrag von 1953 gekündigt. Am Samstag rief Pjöngjang den "Kriegszustand" im Verhältnis zu Südkorea aus.

Die USA stärkten Südkorea im Konflikt mit dem Regime im Norden demonstrativ den Rücken. US-Außenminister John Kerry sagte nach einem Gespräch mit seinem südkoreanischen Amtskollegen Yun Byung Se am Dienstag in Washington, die USA seien bereit, "sich selbst und Südkorea" zu verteidigen. Die nordkoreanische Kriegsrhetorik sei provokativ und gefährlich. Der neue US-Verteidigungsminister Chuck Hagel bezeichnete das Verhalten des Regimes in Pjöngjang in einer Rede am Mittwoch als gefährlich. "Wir nehmen diese Bedrohung ernst."

Die Raketenabwehr, ein mobiles ballistisches Abwehrsystem, das teilweise auf Lastwagen montiert sei, soll dem Pentagon zufolge in den nächsten Wochen auf der Pazifik-Insel Guam eintreffen. Kurz zuvor hatten die USA bereits offiziell die Entsendung zweier Kriegsschiffe in den West-Pazifik bekanntgegeben, um die Raketenabwehr in der Region zu stärken. Es handele sich um die beiden Schiffe "Decatur" und "McCain", sagte Pentagonsprecher George Little.

Der Neustart des abgeschalteten Kernreaktors in dem umstrittenen nordkoreanischen Atomzentrum Yongbyon wäre nach Meinung der US-Regierung "extrem alarmierend". Bislang gebe es aber keine Anzeichen, dass das Regime die Anlage bald wieder in Betrieb nehmen könne, sagte US-Außenamtssprecherin Victoria Nuland in Washington.

(dpa/Reuters/seeg/felt/csi)
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