EU und USA geben Ölreserven frei - das sind die Folgen Nord Stream 2 meldet Konkurs an

Düsseldorf · Auch beim Erdöl hat Deutschland sich den Russen ausgeliefert. Die Freigabe der Reserven soll den Energiepreis dämpfen. Und: Die Betreibergesellschaft von Nord Stream 2 meldet Konkurs an. Das hat auch Folgen für Uniper.

Erdöl-Raffinerie: Deutschland importiert das meiste Öl aus Russland.

Erdöl-Raffinerie: Deutschland importiert das meiste Öl aus Russland.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Viele wollten nicht wahrhaben, wie abhängig Deutschland von Russland ist: Nicht nur das meiste Erdgas kommt aus dem Land, das die Ukraine gerade mit einem Angriffskrieg überzieht. Auch beim Öl und bei der Kohle hat sich Deutschland den Russen ausgeliefert: Die meisten deutschen Ölimporte kommen ebenfalls von dort. Der Krieg hat den Ölpreis nun auf über 100 US-Dollar pro Barrel (das sind 159 Liter) getrieben. Daher geben die EU und die USA jetzt einen Teil ihrer strategischen Reserven in den Markt. Die 31 Mitgliedstaaten der Internationalen Energiebehörde (IEA) entschieden, 60 Millionen Barrel freizugeben, wie die IEA am Dienstag nach einer Krisensitzung mitteilte.

Was bedeutet das? Die freigegebenen Mengen entsprechen vier Prozent des Gesamtlagers der IEA-Mitglieder, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Mitglieder der 1974 gegründeten IEA sind neben den USA unter anderem Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Japan und Kanada. IEA-Mitglieder lagern für Notfälle eine Reserve von insgesamt 1,5 Milliarden Barrel Öl. 60 Millionen Barrel könnten einen Ausfall der russischen Öllieferungen für ungefähr 13 Tage abdecken, zitiert die „Tagesschau“ Carsten Fritsch, Rohstoffexperte bei der Commerzbank. Russland ist der drittgrößte Ölproduzent der Welt. 60 Prozent seiner Exporte gehen nach Europa, 20 Prozent nach China.

Was ist das Ziel? Der Westen will zum einen vorbereitet sein, falls er die Sanktionen gegen Moskau weiter anzieht. Bisher ist der Ausschluss russischer Banken vom internationalen Zahlungssystem Swift nur halbherzig erfolgt. Banken, die für die Begleichung der westeuropäischen Energierechnungen zuständig sind, sind noch ausgenommen. Das aber könnte sich ändern, und dann könnte Russland im Gegenzug die Lieferung von Gas, Kohle und Öl nach Westeuropa einstellen. Ziel der Maßnahmen ist es aber auch, dämpfend auf den Ölpreis einzuwirken, wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Dienstag sagte. Der Preis ist nach der Invasion auf 107 Dollar je Barrel der Nordsee-Sorte Brent gestiegen und damit auf den höchsten Stand seit 2014. Es ist nicht das erste Mal, dass die Staaten einen solchen Schritt unternehmen: Bei früheren Kriegen oder Naturkatastrophen wurden ebenfalls Ölreserven freigegeben.

Wie groß ist die deutsche Ölreserve? Deutschland hat seit der Ölkrise in den 70er-Jahren eine nationale Reserve angelegt, die den Bedarf für 90 Tage decken soll. Die Reserven liegen vor allem in unterirdischen Speichern (Kavernen) in Niedersachsen. Die Reserve besteht aus rund 25 Millionen Tonnen Energieträgern – und zwar in Form von Erdöl, Diesel, Kerosin und Benzin. Zuständig ist der Erdölbevorratungsverband. Der Bundeswirtschaftsminister muss ihn entsprechend anweisen. Nun will Habeck auch eine Reserve an Gas und Kohle anlegen lassen; Pläne hat er vorgestellt. Die Gasspeicher-Betreiber sollen künftig mit Mindestfüllständen in den Winter gehen. Aktuell gehören 30 Prozent der Speicherkapazität in Deutschland ausgerechnet dem russischen Gazprom-Konzern.

Was ist mit Nord Stream 2? Nachdem der Westen im Zuge seiner Sanktionen die umstrittene Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 auf Eis gelegt hat, steht die Eigentümergesellschaft Nord Stream 2 AG wegen Zahlungsunfähigkeit vor dem Aus. Die Nord Stream 2 AG mit Sitz im schweizerischen Zug habe „die Bilanz deponieren“, also Konkurs anmelden müssen, sagte die Regierungsrätin des Kantons Zug, Silvia Thalmann-Gut, am Dienstagabend dem Sender SRF. Das Unternehmen hat alle mehr als 100 Angestellte entlassen. Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) ist Präsident des Verwaltungsrats bei der Nord Stream 2 AG.

Was bedeutet das für Uniper? Eigentümer der Nord Stream 2 AG ist Gazprom. Doch fünf westliche Energieunternehmen haben dem Unternehmen Milliardenkredite gegeben: Shell, Wintershall Dea, Engie, OMV und der Düsseldorfer Versorger Uniper. Allein Uniper hat hier 950 Millionen Euro im Feuer stehen, denen nach dem endgültigen Ende der Röhre die Komplettabschreibung droht. „Wir wollen die Vorgänge derzeit noch nicht kommentieren“, sagte ein Uniper-Sprecher auf Anfrage. Der Düsseldorfer Konzern ist wie kaum ein anderer mit Russland verbunden: 5000 seiner 11.500 Mitarbeiter arbeiten in Russland – in den Kraftwerken oder im Gashandelsgeschäft, viele bei der Tochter Unipro. Für Konzerne wie BP, die einen Rückzug aus Russland angekündigt haben, geht es lediglich um den Verkauf einer Finanzbeteiligung. Für Uniper mit seiner starken Belegschaft in Russland gestaltet sich der Ausstieg aus Russland dagegen schwieriger, zumal auch russische Mitarbeiter den Angriffskrieg ihres Präsidenten verurteilen.

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