Eine Woche Zeit Von der Leyens Werbetour geht weiter

Brüssel · Innerhalb einer Woche muss Ursula von der Leyen das Europaparlament davon überzeugen, dass sie die richtige Kandidatin für den EU-Kommissionsvorsitz ist. Vor allem die Sozialdemokraten stellen sich noch quer.

 Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen im April 2016 in Bamako (Mali) bei einer Pressekonferenz.

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen im April 2016 in Bamako (Mali) bei einer Pressekonferenz.

Foto: picture alliance / dpa/Michael Kappeler

Sie hat gerade einmal eine Woche. In dieser Zeit muss die Frau, die von den Staats- und Regierungschefs für den Posten an der Spitze der EU-Kommission vorgeschlagen ist, eine Mehrheit im Europaparlament von sich zu überzeugen. Seit Sonntag ist die amtierende deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in Brüssel in dieser wichtigsten Mission ihrer Karriere im Einsatz. Sie hat bereits ein karges Büro in der EU-Kommission bezogen. Sie hat entsprechend einem Beschluss der Kommission von Mitte Juni, der für alle Kandidaten für den Kommissionsvorsitz sowie die gewählten, aber noch nicht ihr Amt angetretenen Kommissionschefs gilt, einen Vertrag mit der Kommission als „spezieller Ratgeber“.

Im Fall der Unionspolitikerin, die ihr Ministeramt in Deutschland nicht aufgegeben hat, fließt kein Honorar für diese Tätigkeit. Sie hat aber Anspruch darauf, dass ihr die Auslagen für Reisen und sonstige Spesen im Zusammenhang mit der Kandidatur erstattet werden. Außerdem hat sie Zugang zum Fuhrpark der Kommission. Ein von ihr getwittertes Bild zeigt einen funktionalen Schreibtisch mit Telefon, dahinter die EU-Flagge. Als Anwärter auf die Nachfolge von Jean-Claude Juncker stehen ihr acht Mitarbeiter zu. Aus Berlin hat sie ihren Pressesprecher sowie ihren Büroleiter mitgenommen.

Ihr Einsatz bei der EU ist in der ersten Woche terminlich extrem eng getaktet. Daneben arbeitet sie daran, inhaltlich fit zu werden. Wie zu hören ist, haben sich viele Politiker aus anderen EU-Ländern gemeldet, die ihre Bewerbung unterstützen wollen. Außerdem ist da die Arbeit an ihren Leitlinien, wenn man so will ihr Regierungsprogramm, das sie vor der geheimen Wahl im Plenum vorstellen wird. Es soll bis zum Wochenende stehen.

Oberste Relevanz haben alle Treffen, die dazu dienen, die Beziehungen zu den Fraktionen im Europaparlament zu verbessern. Wenn am Dienstag nächste Woche im Europaparlament abgestimmt wird, muss sie aus dem Stand die Stimmen von 376 der 751 EU-Parlamentarier bekommen. Ansonsten ist sie gescheitert. Der Rat müsste dann binnen vier Wochen einen anderen Kandidaten vorschlagen.

Dass von der Leyen durchkommt, ist alles andere als sicher. Die drei europäischen Parteienfamilien, die im Rat den Vorschlag für von der Leyen unterstützt haben, also die christdemokratische EVP, die Sozialdemokraten und die Liberalen, kommen im Europaparlament zwar zusammen auf 444 Abgeordnete. Aber bei vielen der 153 Sozialdemokraten hat von der Leyen einen schweren Stand. Wie schwer gerade bei den deutschen SPD-Abgeordneten, das machte Bernd Lange, Vizefraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament, in seinem Tweet zum Wochenanfang noch einmal deutlich: „Nächste Woche dann von der Leyen eine Absage erteilen. Manchmal hilft nur ein klares ,No‘.“

Allerdings sind die deutschen Genossen nur noch mit 16 Abgeordneten in der sozialistischen Fraktion vertreten. Die Fraktionschefin Iratxe Garcia legt sich noch nicht fest: „Wir werden die Person nicht beurteilen, bevor wir ihr nicht zugehört haben.“

Von der Leyen wird am Mittwoch erst die Chefs der Fraktionen im Europaparlament treffen und danach in die Fraktion der Sozialdemokraten gehen. Ihre Hoffnung ist, dass möglichst viele Sozialdemokraten für sie stimmen, um den Teil des Personalpakets nicht zu gefährden, der sie selbst betrifft: Der Spanier Josep Borrell soll Außenbeauftragter der EU werden. Klar ist: Sollte von der Leyen im Parlament durchfallen, ist auch Borrell aus dem Rennen.

Die Grünen, die im Parlament 74 Stimmen haben, sind zwar in den Deal im Rat nicht eingebunden. Doch von der Leyen bemüht sich auch bei ihnen um jede Stimme. Die Grünen fordern, dass der Rat sowohl das Prinzip der Spitzenkandidatur sowie der transnationalen Listen für die nächste Europawahl garantiert. Diese Entscheidung muss einstimmig im Rat fallen. Die Grünen wissen auch: Das ist bis Dienstag, wenn in Straßburg über von der Leyen abgestimmt werden soll, nicht zu schaffen. Sie setzen also darauf, dass die Abstimmung auf die Zeit nach der Sommerpause verschoben wird. Das Kalkül ist, dass die europäischen Parteienfamilien die Wahl nur dann wagen, wenn absehbar ist, dass von der Leyen gute Chancen hat.

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