Belarus Neue Proteste gegen Lukaschenko trotz Polizeigewalt

Minsk · Trotz massiver Polizeigewalt haben den vierten Abend in Folge Menschen in vielen Städten in Belarus gegen das Wahlergebnis protestiert. Die Demonstranten riefen Präsident Lukaschenko dazu auf, die Gewalt zu beenden und abzutreten.

 Zwei Männer mit belarussischer Nationalflagge protestieren auf einer Straße gegen die Wahlergebnisse.

Zwei Männer mit belarussischer Nationalflagge protestieren auf einer Straße gegen die Wahlergebnisse.

Foto: dpa/Uncredited

Bis Donnerstagmorgen sind insgesamt fast 7000 Menschen festgenommen worden. Allein in der vergangenen Nacht habe es etwa 700 Festnahmen gegeben, teilte das Innenministerium in Minsk am Donnerstag im Nachrichtenkanal Telegram mit. In den Nächten zuvor hatten die Sicherheitskräfte noch deutlich mehr Menschen in Gewahrsam genommen. Die Uniformierten gingen dabei teils äußerst brutal gegen friedliche Demonstranten vor und schlugen auf sie ein.

Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben des Innenministeriums nicht. Wie viele Demonstranten mittlerweile wieder freigelassen wurden, ist nicht bekannt. Vor den Gefängnissen forderten Angehörige immer wieder die Freilassung von Festgenommenen.

In mehreren unabhängigen Kanälen des Nachrichtendienstes Telegram war auf Videos zu sehen, wie Menschen in Minsk, Grodno, Brest und anderen Städten Lukaschenko dazu aufriefen, die Gewalt zu beenden und abzutreten. Zugleich wuchs die Solidarität mit den Demonstranten. In Minsk traten mehr als 100 Ärzte gegen Gewalt auf. Der prominente Moderator des Staatsfernsehens, Jewgeni Perlin, kündigte angesichts der „Lügen“ und „Gewalt“ demonstrativ seinen gut bezahlten Posten.

In mehreren Städten bildeten sich Menschenketten gegen die Polizeigewalt. Bei der Präsidentenwahl am Sonntag hatte Lukaschenko, der seit mehr als 26 Jahren im Amt ist und als „letzter Diktator Europas“ gilt, sich zum sechsten Mal als Sieger ausrufen lassen – mit 80,08 Prozent der Stimmen. Seine Gegner sehen dagegen die 37 Jahre alte Kandidatin Swetlana Tichanowskaja als Siegerin. Sie ist unter dem Druck der Behörden in das EU-Land Litauen geflohen.

Der nicht zur Wahl zugelassene Kandidat Waleri Zepkalo, ein prominenter IT-Unternehmer, appellierte aus seinem russischen Exil an die EU, Tichanowskaja als Präsidentin anzuerkennen. Hunderte IT-Unternehmer forderten Lukaschenko zum Einlenken auf und drohten in einem offenen Brief, mit ihren Firmen das Land zu verlassen.

Es kursierten mehrere Videos, auf denen Männer mit Kritik an der Gewalt gegen friedliche Bürger ihre Uniformen in den Müll warfen oder sogar verbrannten, ihre Dienstmarken mit Kündigungsschreiben abgaben. Sie erklärten, dass sie ihren Eid auf den Schutz des belarussischen Volkes und nicht dem Machterhalt eines Mannes geschworen hätten. Die Echtheit der Videos war nicht überprüfbar.

Die vierfache Biathlon-Olympiasiegerin Darja Domratschewa zeigte sich bei Instagram bestürzt über die Gewalt in ihrer Heimat. Sie appellierte an die Sonderpolizei Omon, die Gewalt zu beenden. „Lasst nicht weiter diesen ungerechten Horror auf den Straßen zu“, schrieb die „Heldin bei Belarus“ bei Instagram. Jeder Konflikt lasse sich auf friedliche Weise lösen. In Minsk etwa schossen Männer in schwarzen Uniformen und Sturmmasken wahllos mit Gummigeschossen in Richtung von Bürgern, die von Balkonen aus die Sicherheitskräfte ausbuhten und „Schande“ riefen. Es gab viele gewaltsame Festnahmen.

(ahar/dpa)
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