Neue Partner für Koalition in Israel Netanjahu wendet Neuwahlen vorerst ab

Jerusalem · In Israel gibt es wider Erwarten doch keine vorgezogenen Neuwahlen. Die liberale Oppositionspartei Kadima schloss sich überraschend der Koalition unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu an, um eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk am Dienstag berichtete.

Ultraorthodoxe beschimpfen Frauen
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Wegen Streits in der bisherigen Koalition um die Reform des Militärdienstes hatte Netanjahu Neuwahlen im September eingeleitet.

Netanjahus Koalition hatte sich wegen der Frage zerstritten, ob auch orthodoxe Juden künftig zum Militärdienst müssen. Insbesondere die säkulare Partei Unser Haus Israel von Außenminister Avigdor Lieberman lehnt die bisherige Ausnahmeregelung für orthodoxe Juden ab. Auch Netanjahu befürwortet deren Abschaffung, traf damit aber bei seinem anderen Koalitionspartner, der ultraorthodoxen Schas-Partei, auf Widerstand.

Die Kadima ist derzeit mit 28 Abgeordneten stärkste Kraft im Parlament. Umfragen zufolge würde sie bei Neuwahlen nur noch mit zehn Mitgliedern in der Knesset vertreten sein. Netanjahu und Kadima-Chef Schaul Mofas verhandelten unter strikter Geheimhaltung über ihre Annäherung, während die Knesset am Montag das Gesetz zur Auflösung des Parlaments für Neuwahlen bereits in erster Lesung beschloss. Mofas soll in Netanjahus Regierung laut israelischem Rundfunk nun stellvertretender Regierungschef und Minister ohne Geschäftsbereich werden.

Inhaltliche Details der Koalitionsvereinbarung müssten aber noch abschließend ausgearbeitet werden, hieß es im Rundfunk. Es gebe aber eine Absprache, dass Kadima Netanjahu im Gegenzug für Änderungen an dem Gesetz zur Militärreform unterstützt. Kadima-Mitglieder sollen Schlüsselpositionen in den Knesset-Ausschüssen für Außenpolitik, Verteidigung und Wirtschaft bekommen. Die Vereinbarung beinhaltet den Angaben zufolge zudem die Verpflichtung, den Friedensprozess mit den Palästinensern wieder anzustoßen.

Das Parlament soll sich am Dienstag mit der neuen Regierung befassen. Netanjahu würde nun dort über eine Mehrheit von 94 von 120 Sitzen verfügen. Mofas könnte laut israelischem Rundfunk bereits am Donnerstag vereidigt werden. Die linke Meretz-Partei kritisierte die Vereinbarung als zynisches politisches Manöver. Regulär werden die Wähler in Israel erst im Oktober 2013 wieder an die Urnen gerufen.

Die Kadima war im November 2005 als Abspaltung von der Likud-Partei vom ehemaligen Ministerpräsidenten Ariel Scharon gegründet worden, der nach einem Schlaganfall mittlerweile seit fast fünf Jahren im Koma liegt. Mofas hatte die Führung der Kadima erst Ende März von der ehemaligen israelischen Außenministerin Zipi Livni übernommen.

(AFP)
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