Nato und Russland Das rote Telefon steht still

Brüssel · Das Nato-Militär hat seit Mai keinen Kontakt zu Russlands Generalstab. Das transatlantische Bündnis warnt, dass dies auch zu gefährlichen Missverständnissen führen könne.

Portugiesische und kanadische Kampfjets steigen im Nato-Auftrag über der Ostsee zu "Abfangmanövern" auf.

Portugiesische und kanadische Kampfjets steigen im Nato-Auftrag über der Ostsee zu "Abfangmanövern" auf.

Foto: dpa, yk ed htf

Fast täglich steigen inzwischen Nato-Kampfjets über dem Baltikum auf, um russische Militärflugzeuge "abzufangen". Mit der Ukraine-Krise haben sich die Spannungen zwischen Russland und dem Bündnis deutlich verschärft.

Mit Großmanövern in der Ostsee testet Russland offenbar die Verteidigungsbereitschaft der Allianz. Die Nato warnt, dass dies auch zu gefährlichen Missverständnissen führen könne. Doch derzeit sprechen die Militärführungen beider Seiten nicht miteinander - am "roten Telefon" herrscht seit mehr als einem halben Jahr Funkstille.

Am Sonntag mussten portugiesische und kanadische Kampfjets im Nato-Auftrag über der Ostsee zu "Abfangmanövern" aufsteigen. Das Bündnis reagierte damit unter anderem auf vier strategische Bomber, die Russland in der Region durch den internationalen Luftraum schickte. In den Tagen danach folgten dutzende weitere russische Militärmaschinen.

Der polnische Verteidigungsminister Tomasz Siemoniak sprach am Donnerstag von "beispiellosen Aktivitäten" der russischen Luftwaffe und Marine. Am Montag erhöhte Litauen das Alarmniveau seiner Armee, nachdem eine Gruppe von 22 russischen Kriegsschiffen in der Ostsee gesichtet wurde, von denen sich eines bis auf fünf Kilometer den litauischen Hoheitsgewässern näherte. Der estnische Verteidigungsminister Sven Mikser kritisierte am Freitag "unnötige Provokationen". Am Wochenende habe eine Maschine auch den Luftraum seines Landes verletzt.

Im Oktober wurden russische Bomber-Geschwader vor der Küste Portugals gesichtet. Schon damals warnte die Nato vor gefährlichen Zwischenfällen. Denn teils hätten sich die Flugzeuge bei der zivilen Luftraumüberwachung nicht angemeldet und keine Transpondersignale abgegeben. Tatsächlich könnte die versehentliche Kollision einer Militärmaschine mit einem zivilen Passagierflugzeug in eine Katastrophe münden.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zeigte sich angesichts der Spannungen vergangene Woche besorgt, dass beide Seiten nicht mehr miteinander sprechen. Das Niveau der Kommunikation liege unter dem im Kalten Krieg, sagte er beim Nato-Außenministertreffen. Er warb dort mit anderen Ländern deshalb für eine Krisen-Kommunikationsmechanismus. Das Nato-Militär solle "sicherstellen, dass wir über ein Mindestmaß gegenseitigen Austausches mit Russland verfügen in dieser kritischen Zeit".

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Der Vorschlag wurde angenommen. Doch verändert hat sich seither nichts. "Es hat seit Mai keine Gespräche zwischen dem militärischen Teil der Nato und dem Stab des russischen Oberkommandierenden gegeben", sagt der Sprecher des Nato-Militärausschusses, Dan B. Termansen. "Aber die Kommunikationskanäle sind offen." Später legte die Nato nach und gab Russland die Schuld daran, dass es nicht zu Gesprächen kommt. "Russland hat keinerlei Interesse an einem echten Dialog gezeigt", sagte Nato-Sprecherin Oana Lungescu. "Für einen Dialog braucht es zwei."

Noch im Februar 2013 hatte die Nato ihre Kommunikation zu der russischen Militärführung ausgebaut und eine Art "rotes Telefon" zwischen beiden Seiten eingerichtet. Der Vorsitzende des Nato-Militärausschusses, der dänische General Knud Bartels, und der russische Oberkommandierende Waleri Gerasimow weihten damals eine direkte, gesicherte Telefonverbindung zwischen ihren Büros ein. Die Nato sprach mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Kalten Krieg von einem "historischen Telefonat".

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Doch nun ist die Stimmung zwischen beiden Seiten auf dem Tiefpunkt. Die Nato wirft Russland mit der Krim-Annexion und dem Eingreifen in den Konflikt in der Ostukraine die Verletzung internationalen Rechts vor. Moskau beäugt seinerseits argwöhnisch die Pläne der Nato für eine schnelle Eingreiftruppe mit Stützpunkten in Osteuropa und warnt das Bündnis davor, durch "endlose Militärübungen" und die "Stationierung atomwaffenfähiger Flugzeuge in den baltischen Staaten" die Stabilität in Nordeuropa in Gefahr zu bringen.

(AFP)
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