Lange verfeindet Chronik des Konflikts zwischen Israel und dem Iran
Teheran/ Tel Aviv · Der Iran hat Israel zum zweiten Mal im Jahr 2024 angegriffen. In den Monaten zuvor hatte Israel Anführer der Hisbollah und der Hamas getötet. Die Chronik einer langen Feindschaft.
Die beiden Staaten sind die erbittertsten Feinde in der Region und haben eine lange Geschichte von Schattenkriegen und heimlichen Angriffen zu Land, zu Wasser, in der Luft und im Cyberspace. Nun wird eine Eskalation des Konflikts befürchtet.
1979: Islamische Revolution – Schah wird gestürzt
Der pro-westliche und von den USA unterstützte Machthaber im Iran, Mohammad Reza Schah Pahlavi, wird im Zuge der Islamischen Revolution gestürzt. Der Schah bestieg 1941 den Thron und sah den 1948 gegründeten Staat Israel als Verbündeten an. Nach der Revolution gründet der aus dem französischen Exil zurückgekehrte Ajatollah Ruhollah Chomeini die Islamische Republik Iran. Von nun an ist die Feindschaft gegen Israel Gebot.
1982: Israel marschiert in den Libanon ein – Hisbollah entwickelt sich
Israels Militär marschiert im nördlichen Nachbarland Libanon ein. Dort entwickelte sich die Hisbollah (Partei Gottes) während des Bürgerkrieges 1975 bis 1990 von einer kleinen schiitischen Gruppe zu einer einflussreichen Größe über den Libanon hinaus. Die iranischen Revolutionsgarden gründen 1982 die Hisbollah-Miliz, um ihre Islamische Revolution zu exportieren. Ziel ist es auch, das israelische Militär wieder zurückzudrängen. Israel betrachtet die Miliz schließlich als den gefährlichsten Gegner an seinen Grenzen.
1983: Hisbollah vertreibt Israel aus dem Libanon
Die vom Iran unterstützte Hisbollah vertreibt mit Selbstmordattentaten westliche und israelische Streitkräfte aus dem Libanon. Im November fährt ein mit Sprengstoff vollgepacktes Auto in das Hauptquartier des israelischen Militärs. Israel zieht sich später aus großen Teilen des Libanons zurück.
1992 und 1994: Anschläge in Buenos Aires auf israelische Botschaft und jüdisches Zentrum
In den beiden Jahren kommt es in Buenos Aires zu Selbstmordanschlägen auf die israelische Botschaft sowie auf ein jüdisches Zentrum. Dutzende Menschen kommen ums Leben. Argentinien und Israel werfen dem Iran und der Hisbollah vor, hinter den Attentaten zu stecken. Beide weisen jede Verantwortung zurück.
2002: Gegenseitige Beschuldigungen wegen Urananreicherung und Atomwaffen
Die Enthüllung, dass der Iran ein geheimes Programm zur Anreicherung von Uran betreibt, löst Befürchtungen aus, die Islamische Republik könne versuchen, eine Atomwaffe zu bauen. Der Iran bestreitet dies jedoch. Israel fordert harte Maßnahmen gegen die Führung in Teheran. Israel selbst wird international zu den faktischen Atommächten gezählt, hat den Besitz von Atomwaffen allerdings nie offiziell bestätigt. Das Land hat den Atomwaffensperrvertrag, der die Nichtverbreitung von Atomwaffen vorsieht, nicht unterzeichnet. Dies haben unter anderem auch Pakistan und Indien nicht getan, die aber solche Waffen offiziell besitzen.
2006: Israel kämpft erneut gegen die Hisbollah im Libanon
In einem monatelangen Krieg kämpft das israelische Militär gegen die Hisbollah im Libanon. Es kann die schwer bewaffnete Miliz jedoch nicht besiegen und zieht die Truppen ab.
2009: Hassrede von Ajatollah Ali Chamenei
Der Oberste Führer des Irans, Ajatollah Ali Chamenei, bezeichnet in einer Rede Israel als „gefährlichen und tödlichen Krebs“. Chamenei ist seit dem Tod Chomeinis im Jahr 1989 das politische und religiöse Oberhaupt des Irans.
2010: Cyberangriff auf Urananreicherungsanlage mutmaßlich durch Israel und USA
„Stuxnet“, ein mutmaßlich von den USA und Israel entwickelter Computervirus, wird für einen Angriff auf die Urananreicherungsanlage im iranischen Natans eingesetzt. Es ist der erste öffentlich bekannte Cyber-Angriff auf eine Industrieanlage.
2012: Iranischer Atomwissenschaftler wird in Teheran getötet
Der iranische Atomwissenschaftler Mostafa Ahmadi-Roschan wird in Teheran durch eine Bombe getötet, die ein Motorradfahrer an seinem Auto angebracht hatte. Die Behörden machen Israel für den Anschlag verantwortlich.
2018: Rückzug der USA aus Atomabkommen mit dem Iran und Israel greift iranische Militärinfrastruktur in Syrien an
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu begrüßt den Rückzug der USA unter Präsident Donald Trump aus dem Atomabkommen mit dem Iran. Jahrelang hatte Netanjahu gegen das internationale Abkommen gekämpft. Trumps Entscheidung nennt er „einen historischen Schritt“.
Im Mai erklärt Israel, es habe die iranische Militärinfrastruktur in Syrien angegriffen. Dort unterstützt der Iran im Bürgerkrieg zusammen mit Russland Präsident Baschar al-Assad. Iranische Streitkräfte hatten von syrischem Boden aus Raketen auf die Golanhöhen abgefeuert. Diese strategisch wichtige syrische Hügelkette hatte Israel 1967 im Sechstagekrieg besetzt und 1981 annektiert - was international nicht anerkannt ist.
2020: Israel begrüßt Tötung von iranischem General durch die USA, Iran schlägt zurück
Israel begrüßt die gezielte Tötung von General Kassem Soleimani durch einen US-Drohnenangriff in der irakischen Hauptstadt Bagdad. Soleimani war Kommandeur der Al-Kuds-Brigaden, einer Sondereinheit für Auslandseinsätze der mächtigen iranischen Revolutionsgarden. Der Iran schlägt zurück mit Raketenangriffen auf irakische Stützpunkte, in denen US-Truppen stationiert sind. Etwa 100 US-Soldaten werden verletzt.
2021: Iran macht Israel für weitere Tötung von Verantwortlichen von Atomprogramm verantwortlich
Der Iran macht Israel für die Ermordung von Mohsen Fachrisadeh verantwortlich, der von westlichen Geheimdiensten als Drahtzieher eines geheimen iranischen Programms zur Entwicklung von Atomwaffen angesehen wurde. Die Regierung in Teheran hat derartige Ambitionen lange bestritten.
2022: Abkommen zwischen USA und Israel zu iranischen Artomwaffen
US-Präsident Joe Biden und der israelische Ministerpräsident Jair Lapid unterzeichnen eine gemeinsame Verpflichtungserklärung zur Ablehnung iranischer Atomwaffen. Damit demonstrieren die Verbündeten, die lange Zeit über die Diplomatie gegenüber dem Iran uneins waren, nun ihre Einigkeit. Diese Zusage ist Teil der „Jerusalem-Erklärung“, mit der Biden seinen ersten Besuch in Israel als Präsident krönt. Sie erfolgt einen Tag, nachdem er gegenüber einem lokalen Fernsehsender erklärt hat, er sei offen für den Einsatz von Gewalt gegen den Iran als „letztes Mittel“ – ein Schritt, um Israels Forderungen nach einer „glaubwürdigen militärischen Drohung“ entgegenzukommen.
2024: Israel tötet den Hamas-Auslandschef in Teheran, eskaliert Konflikt mit Hisbollah - Iran antwortet mit zwei Angriffswellen auf Israel
Bei einem mutmaßlichen israelischen Luftangriff auf das Gelände der iranischen Botschaft in Damaskus werden am 1. April sieben Offiziere der Revolutionsgarde getötet, darunter zwei ranghohe Kommandeure. Israel hat eine Verantwortung dafür weder bestätigt noch bestritten. Der Iran droht Israel mit Vergeltung. In der Nacht vom 13. zum 14. April feuert der Iran mehr als 300 Drohnen und Raketen in Richtung Israel ab, die nach israelischen Angaben aber zu 99 Prozent abgefangen werden. Danach bemühten sich beide Seiten um Deeskalation.
Doch am 31. Juli tötete Israel nach Angaben der Hamas gezielt Hanijeh in Teheran. Bestätigt hat Israel den Angriff nicht. Nur die Pressestelle der Regierung postete auf Facebook ein Foto Hanijehs, auf seiner Stirn prangte das Wort „ausgelöscht“. Irans Präsident Peseschkian kündigte Vergeltung an, und auch Ajatollah Chamenei drohte Israel mit Rache. Das sei die Pflicht des Irans, da Hanijeh auf iranischem Boden getötet worden sei. Israel habe sich selbst den Grund für eine harte Bestrafung geliefert.
Zunächst verschärfte sich jedoch der Konflikt zwischen Israel und der pro-iranischen Miliz Hisbollah im Libanon. Israel flog dort Luftangriffe, tötete den Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah und begann am 30. September eine Bodenoffensive im Libanon.
Am 1. Oktober griff der Iran mit rund 180 Raketen Israel an. Die iranischen Revolutionsgarden erklärten, der Angriff auf Israel sei eine Reaktion auf die Tötung von Hamas-Auslandschef Ismail Hanija, Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah sowie eines iranischen Generals.