Behörden beerdigen Opfer in Massengräbern Russen hinterlassen Hunderte Tote auf Straßen nach Rückzug aus Butscha

Butscha · Die Regierung der Ukraine meldet die Befreiung der Region Kiew. Aber: Nach dem Rückzug der russischen Armee aus dem Vorort Butscha sind dort nach Behördenangaben fast 280 Menschen in Massengräbern beerdigt worden. Die Straßen der durch die Kämpfe stark zerstörten Kleinstadt waren mit Leichen übersät.

 Ein Junge steht in den Überresten eines zerstörten Panzers, der auf einer Fahrbahn in Butscha liegt.

Ein Junge steht in den Überresten eines zerstörten Panzers, der auf einer Fahrbahn in Butscha liegt.

Foto: dpa/Oleksandr Ratushniak

Das sagte Bürgermeister Anatoly Fedoruk am Samstag der Nachrichtenagentur AFP. 280 Menschen mussten nach seinen Angaben bereits in Massengräbern beigesetzt werden, da die drei städtischen Friedhöfe in Reichweite des russischen Militärs liegen.

Viele Todesopfer trugen zivile Kleidung, wie ein AFP-Journalist am Samstag berichtete. Einem der Männer waren die Hände gefesselt. Eine andere Leiche wies offenbar eine große Kopfwunde auf. Die von dem Reporter gesehenen leblosen Körper der Männer lagen über mehrere hundert Meter verstreut auf einer Straße in einem Wohngebiet in dem nordwestlich der Hauptstadt gelegenen Vorort. Zwei Leichen lagen neben Fahrrädern, eine andere neben einem verlassenen Auto.

Die russischen Truppen hatten sich in den vergangenen Tagen aus mehreren Städten in der Nähe von Kiew zurückgezogen, nachdem ihr Versuch, die Hauptstadt einzukesseln, gescheitert war. Die Ukraine erklärte, Butscha sei "befreit" worden. Die Kleinstadt wurde durch die russischen Angriffe verwüstet. Wohnhäuser wurden durch Granatenbeschuss beschädigt und auf den Straßen waren zerstörte Autos zu sehen, wie AFP-Journalisten berichteten.

Unterdessen sind ukrainische Truppen am Samstag von der Hauptstadt Kiew weiter nach Norden vorgerückt. Sie bezogen Stellungen in Butscha, nachdem sie Gebiete von russischen Streitkräften zurückerobert hatten. Reporter der Nachrichtenagentur AP zählten sechs Leichen von Zivilisten, die entlang einer Straße und im Vorgarten eines Hauses lagen. Anwohner sagten, die Zivilisten seien von russischen Soldaten ohne erkennbare Provokation getötet worden.

Die ukrainischen Soldaten, unterstützt von einer Kolonne aus Panzern und gepanzerten Fahrzeugen, befestigten Seile an den Leichen und zogen sie von der Straße, weil sie befürchten, dass diese mit Sprengsätzen präpariert sein könnten.

Am Samstagabend erklärte die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Malyar, dass das gesamte Gebiet der Region Kiew wieder unter Kontrolle der urkainischen Truppen gebracht worden sei. "Die gesamte Region Kiew ist vom Angreifer befreit. Irpin, Butscha, Hostomel wurden von den Invasoren befreit", schrieb sie auf Facebook.

Am frühen Abend hat eine Reihe von Explosionen die ukrainische Stadt Enerhodar in der Nähe des Kernkraftwerks Saporischschja erschüttert. Die ukrainische Atombehörde Energoatom berichtete über die Attacken vom Samstag bei Telegram. Sowohl die Stadt als auch die Atomanlage - eine der größten Atomeinrichtungen in Europa - befinden sich nach Angaben der ukrainischen Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine seit dem 4. März unter russischer Kontrolle.

Ein von Energoatom bei Telegram veröffentlichter Video-Clip schien laute Detonationen und fliegende Trümmerteile zu zeigen. In einem zweiten Beitrag hieß es, Explosionen und Mörserbeschuss seien in der Umgebung eines Kulturzentrums zu hören gewesen, in dem Anwohner eine Kundgebung zur Unterstützung der Ukraine abhielten.

„Als sich die Demonstranten zu zerstreuen begannen, kamen die Invasoren in Polizeifahrzeugen an und begannen, Anwohner in sie hinein zu zwingen“, hieß es. „Ein paar Minuten später wurde die Stadt von massiven Explosionen und Beschuss erschüttert.“

Energoatom erklärte, vier Menschen seien verletzt und medizinisch versorgt worden. Die Behörde erklärte zudem, russische Streitkräfte hätten damit begonnen, die Telefon- und Internetkommunikation in Enerhodar zu stören. Dies konnte zunächst nicht unabhängig bestätigt werden.

Derweil ist Tausenden Menschen in der Ukraine am Samstag nach Angaben der Regierung in Kiew die Flucht aus umkämpften Städten gelungen. 765 Zivilisten hätten mit eigenen Fahrzeugen die Hafenstadt Mariupol im Südosten des Landes verlassen, teilte Vize-Regierungschefin Irina Wereschtschuk im Nachrichtenkanal Telegram mit. Fast 500 Zivilisten seien aus der Stadt Berdjansk geflohen. Ziel der Menschen aus beiden Städten sei Saporischschja. Zudem seien in Berdjansk zehn Busse gestartet. Am Sonntag solle die Evakuierung dort fortgesetzt werden, sagte Wereschtschuk.Auch aus Städten wie Sjewjerodonezk und Lyssytschansk im Luhansker Gebiet im Osten des Landes seien Menschen am Samstag gerettet worden.

(felt/AFP)
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