Attentat in Straßburg 700 Polizisten jagen Chérif Chekatt

Straßburg · Die Behörden suchen grenzübergreifend noch immer den mutmaßlichen Attentäter vom Straßburger Weihnachtsmarkt. Die Identität ist geklärt. Die Spur des Killers verliert sich aber nach einer Fahrt im Taxi.

 Die Spezialkräfte der französischen Polizei durchsuchen in einer Operation den Stadtteil Neudorf.

Die Spezialkräfte der französischen Polizei durchsuchen in einer Operation den Stadtteil Neudorf.

Foto: AFP/PATRICK HERTZOG

Ein gelber Wohnblock mit seinen acht Stockwerken im Straßburger Stadtteil Poteries ist die letzte Adresse, unter der Chérif Chekatt lebte. Der 29-Jährige, der am Dienstagabend in der Altstadt drei Menschen getötet und 13 verletzt haben soll, wurde danach zum meistgesuchten Mann Frankreichs. Die Ermittler nahmen sowohl seine Familie als auch seine Freunde genau unter die Lupe. Die Eltern und zwei seiner Brüder sind seit Dienstagabend in Polizeigewahrsam. Die Polizei geht dem Fernsehsender France 2 zufolge aber davon aus, dass die Angehörigen nichts von den Plänen Chekatts wussten.

Am Mittwochabend veröffentlichte die Polizei ein Fahndungsfoto, auf dem ein dunkelhaariger Mann mit Bart und einem Mal auf der Stirn zu sehen ist. Es ist der Gebetsfleck der besonders gläubigen Muslime. „Der Mann ist gefährlich, bitte nicht selbst eingreifen“, heißt es in dem auch auf Deutsch verfassten Zeugenaufruf. Chekatt, der selbst kein Wort Deutsch sprechen soll, hatte in der Bundesrepublik wegen zwei Überfällen bis 2017 eine Haftstrafe verbüßt.

Kurz vor dem Anschlag in Straßburg soll er laut RBB-Inforadio einen Anruf aus Deutschland erhalten haben, den er aber nicht annahm. Der Staatssekretär im Innenministerium, Laurent Nuñez, schloss nicht aus, dass der mutmaßliche Attentäter über die Grenze nach Deutschland floh. Die Grenzkontrollen nach Deutschland und in die Schweiz, wo der 29-Jährige ebenfalls schon im Gefängnis saß, wurden deshalb verstärkt. Mehr als 700 Polizisten sind in Straßburg auf der Spur des mutmaßlichen Angreifers, die sich im Stadtteil Neudorf hinter einer Garage verliert. Dorthin hatte ein Taxifahrer Chekatt gefahren. „Weißt du, was ich getan habe? Ich habe Menschen getötet. Als Vergeltung für unsere toten Brüder in Syrien“, sagte er auf der nur drei Minuten dauernden Tour laut Ermittlerkreisen, auf die sich France 2 beruft. „Die Polizei hat heute Morgen meine Wohnung durchsucht. Dabei haben sie eine Granate gefunden“, rühmte sich Chekatt, der dem Chauffeur auch seine Verletzung am Arm zeigte.

Der Taxifahrer meldete sich sofort, nachdem er seinen gefährlichen Kunden abgesetzt hatte, bei der Polizei. Er geht davon aus, dass sein Fahrgast ihn verschonte, weil er gläubiger Muslim ist. In seinem Auto hat er mehrere muslimische Symbole, unter anderem eine Gebetskette am Rückspiegel. Chekatt war schon seit 2015 im Visier der Ermittler. Der 27 Mal verurteilte Kriminelle wurde im Gefängnis zum radikalen Islamisten und galt als Gefährder, der wie rund 10.000 andere den Sicherheitsvermerk S trug. „Er wurde ziemlich ernsthaft beobachtet“, sagte Nuñez. Der Inlandsgeheimdienst soll das Telefon des Mannes abgehört und ihn beschattet haben. Unterbrochen wurde diese Beobachtung nur während der Haftzeit in Deutschland. Nach seiner Rückkehr nach Frankreich im vergangenen Jahr unternahm Chekatt im August zusammen mit drei Freunden einen Erpressungsversuch, bei dem sein Opfer schwer verletzt wurde. Die Staatsanwaltschaft Straßburg leitete Vorermittlungen wegen Totschlagversuchs und Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung ein.

Am Dienstagmorgen wollten die Polizisten die Bande festnehmen, schnappte aber nur drei der Mitglieder. Chekatt entkam. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung fanden die Beamten eine Granate, ein Gewehr, Munition und vier Messer. Zeichen, dass er im Namen der Terrormiliz Islamischer Staat handelte, entdeckten die Polizisten aber nicht. Die Suche nach Chekatt erinnert die Franzosen an die Tage nach den Anschlägen im Januar 2015 auf die Satirezeitung „Charlie Hebdo“ in Paris. Damals waren zwölf Menschen ermordet worden.

Und es dauerte 53 Stunden, bis die Polizei die Täter, die Brüder Kouachi, aufspürte. Sie hatten sich in eine Druckerei in einem Vorort von Paris geflüchtet. Auch Chekatt könnte weiter in Straßburg sein. Der Taxifahrer sagte, sein Kunde habe sich gut ausgekannt, aber nicht gewusst, wo er hinsolle.

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