Nach Trumps Erklärung Scharfe Kritik an US-Truppenabzug aus Syrien

Washington · US-Präsident Donald Trump erklärt den Islamischen Staat für besiegt und kündigt einen raschen Abzug aller US-Truppen aus Syrien an. Davon fühlt sich so mancher überrumpelt. Es hagelt Kritik, auch aus den eigenen Reihen.

US-Truppen mit gepanzerten Fahrzeugen in der syrischen Stadt Manbij (Archivbild)

US-Truppen mit gepanzerten Fahrzeugen in der syrischen Stadt Manbij (Archivbild)

Foto: dpa/---

An dem vom US-Präsident Donald Trump angekündigten Abzug aller rund 2000 amerikanischen Soldaten aus Syrien regt sich massive Kritik auch aus den eigenen Reihen. Die Entscheidung komme einem „im Entstehen begriffenen Desaster“ gleich, warnte Senator Lindsey Graham, ein enger Verbündeter Trumps. Der IS und der Iran würden die größten Gewinner sein. Graham räumte zugleich ein, von den Rückzugsplänen überrumpelt worden zu sein. Bei Militärvertretern blieben zudem viele Fragen offen, etwa jene, ob die USA Luftangriffe auf IS-Kämpfer auch nach einem Truppenabzug aus dem Bürgerkriegsland fortsetzen würde.

Die Planungen liefen indes schon – die Truppen würden so schnell wie möglich abgezogen, sagte eine Quelle in der Regierung am Mittwoch. Zuvor hatten mehrere US-Medien darüber berichtet, zunächst das „Wall Street Journal“. Trump selbst erklärte, die US-Truppen würden in Syrien nicht mehr gebraucht. „Wir haben ISIS in Syrien besiegt, mein einziger Grund, um während der Trump-Präsidentschaft dort zu sein“, twitterte er und verwendete dabei eine gebräuchliche Abkürzung für die sunnitische Terrormiliz Islamischer Staat.

Später postete der Präsident ein Video auf Twitter, in dem er von „herzzerreißenden“ Momenten sprach, wenn er Briefe an Angehörige von im Kampf Gefallenen schreiben oder diese anrufen müsse. „Nun ist es an der Zeit, dass unsere Truppen nach Hause kommen.“

Die USA hatten 2014 mit Luftangriffen auf den IS in den syrischen Bürgerkrieg eingegriffen. Im darauffolgenden Jahr kamen im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat auch Bodentruppen ins Land, zudem schulen US-Militärausbilder als moderat geltende syrische Rebellen.

Trump hat seit seinem Einstieg in die Politik erklärt, er wolle die US-Truppen aus Syrien zurück nach Hause holen. Bislang ist es aber offizielle US-Linie, so lange Truppen in dem Bürgerkriegsland zu lassen, bis alle Extremisten vernichtet sind. Darüber hinaus haben das Verteidigungsministerium und Regierungsbeamte erklärt, US-Truppen sollten sich vom Iran unterstützten Extremisten in Syrien entgegenstellen.

Trumps Rückzugsankündigung offenbart Differenzen zu seinen militärischen Beratern, die in den vergangenen Wochen auf noch intakte IS-Stellungen in Syrien verwiesen haben. Erst vor gut einer Woche sagte der US-Botschafter bei der Anti-IS-Koalition, Brett McGurk, niemand wolle den Einsatz für beendet erklären. Die Zerschlagung des IS-Kalifats sei nur eine Phase eines viel längeren Feldzugs.

Bis zur letzten Minute versuchten hohe Vertreter von Pentagon und Militär den Präsidenten denn auch von seinen Plänen abzubringen, wie aus Regierungskreisen verlautete. Ihr Argument: Der IS bleibe eine Gefahr und könne sich im langen syrischen Bürgerkrieg neu formieren. Zudem schaltete sich der Kongress mit der Forderung nach mehr Informationen ein. Der republikanische Senator Graham, der erst vor kurzem von einer Afghanistan-Reise zurückkehrte, kündigte ein Treffen mit Verteidigungsminister Jim Mattis an. Dessen Kollege Marco Rubio pflichtete ihm bei, ein schneller und vollständiger Abzug sei ein gravierender Fehler, der sich nicht nur auf dem Kampf gegen den IS auswirken werde.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu telefonierte mit Trump und sagte dann, Israel werde sich über den Zeitplan und die Art des Rückzugs informieren. Sein Land werde sich selbst schützen.

Die Syrien-Expertin des Instituts für Kriegsstudien, Jennifer Cafarella, warnte vor einem Machtvakuum in Ostsyrien. Russland, Iran, der syrische Präsident Baschar al-Assad und die Türkei würden versuchen, Einfluss auf das bisher von den USA kontrollierte Gebiet zu bekommen – auf Kosten der syrischen Kurden. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat bereits eine neue Militäroperation gegen die Kurden angekündigt, die bislang auf die Hilfe der USA zählen. Laut einem US-Regierungsmitarbeiter hat Trump Erdogan schon in einem Telefonat über seine Pläne informiert.

(mlat/dpa)
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