Dauer-Proteste im Iran Mussawi-Anhänger kämpfen gegen Propaganda

Teheran (RPO). Trotz staatlicher Repressionen wollen die Anhänger des iranischen Oppositionsführeres Mir Hussein Mussawi weiter demonstrieren. Ihr Führer hatte sie noch am Dienstag aus Sorge um ihr Leben davon abhalten wollen. Doch sie sind wieder auf der Straße. Ziel der jüngsten Protestmärsche: der staatliche Fernsehsender Irib. Er gilt als wichtiger Kanal für die Propaganda von Präsident Mahmud Ahmadinedschad.

Dauer-Proteste im Iran: Mussawi-Anhänger kämpfen gegen Propaganda
Foto: AFP, AFP

Nach Augenzeugenberichten waren auch am Dienstag Abend wieder Zehntausende in Teheran auf Protestzügen unterwegs. Sie hielten dabei Fotos der Prügelszenen vom vergangenen Sonntag in die Luft. Viele trugen eine Gesichtsmaske. Sie soll ihre Sprachlosigkeit zeigen, dient aber auch als Schutz vor sich selbst: Rufe wie "Tötet den Diktator" sollen unterbleiben, um keine neuen Unruhen zu provozieren. Die Proteste verliefen friedlich.

 Ayatollah Chamenei ist die höchste Autorität der Islamischen Republik Iran.

Ayatollah Chamenei ist die höchste Autorität der Islamischen Republik Iran.

Foto: AFP, AFP

Die Menschen drängten sich den Berichten zufolge auf einer Strecke von zwei Kilometern, die Proteste sollen über drei Stunden angedauert haben. Die Straßen seien überfüllt gewesen, für Autos habe es kein Durchkommen mehr gegeben. Ziel der Proteste: das Gebäude des staatlichen Fernsehsenders Irib. Er gilt als Propagandasender für den ultrakonservativen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. Mussawi und seine Anhänger stemmen sich gegen die einseitige staatliche Berichterstattung. Mussawi forderte Redezeit auf dem Sender.

Aussichten zweifelhaft

Ob die Demonstranten mit ihren Protesten Erfolg haben werden, bleibt faglich. Sie rennen gegen konservative Betonköpfe an. Zwar hat der Oberste Geistliche Führer Ayatollah Chamenei eine Prüfung der Wahlen durch den zwölfköpfigen Wächterrat angeordnet. Doch seine Mitglieder gelten als Hardliner. Viele von ihnen sind direkt von Chamenei berufen, der sich vor der Wahl für Ahmadindeschad ausgesprochen hatte. Mit einem Ergebnis ist erst Mitte kommender Woche zu rechnen.

Für Mittwoch sind weitere Proteste geplant. Nach Angaben von Teilnehmern der bisherigen Protestmärsche soll am Nachmittag im Stadtzentrum erneut eine große Kundgebung stattfinden. Zu dieser neuen Demonstration sei bei dem Protest am Dienstag aufgerufen worden. Mussawi äußerte sich zunächst nicht zu der jüngsten Ankündigung. Am Montag waren in Teheran mehrere Demonstranten getötet worden.

Appell an nationale Einigkeit

Noch am Dienstag Abend hatte Chamenei die Iraner aufgefordert, sich hinter die geistliche Führung zu stellen. "Bei der Wahl hatten die Wähler unterschiedliche Tendenzen, aber sie glauben gleichermaßen an das Regierungssystem und unterstützen die Islamische Republik", wurde Chamenei im staatlichen Fernsehen zitiert.

Am Dienstag gingen in Teheran zeitgleich mehrere tausend Anhänger in vom Regierungslager organisierten Gegen-Kundgebungen auf die Straße. Die Teilnehmer schwenkten iranische Fahnen und Bilder von Ayatollah Chamenei. "Diese Nation wird ihre Revolution in jeder Weise beschützen und verteidigen", sagte der prominente Abgeordnete Gholam Ali Haddad Adel, der als Parteigänger von Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad gilt.

Nur noch aus dem Büro

Auf Anordnung der Behörden sind ausländischen Medien nur noch Berichte aus den Büros erlaubt. Interviews dürfen nur noch telefonisch geführt werden, außerdem sollen nur noch amtlichen Informationen wie die des staatlichen Fernsehens verwendet werden. Ferner erklärten die Behörden, sie würden die Visa der ausländischen Journalisten nicht verlängern, die zur Berichterstattung über die Präsidentenwahl vom vergangenen Freitag ins Land gekommen waren.

Die Massenproteste im ganzen Land nach der umstrittenen Präsidentenwahl vom Freitag sollen offenbar ohne Zeugen stattfinden. Doch weiterhin gelangen Nachrichten und Bilder aus Teheran an die Außenwelt. Fotos gelangen oftmals über das Internet oder heimlich ans Licht der Öffentlichkeit. Der Nachrichtensender CNN etwa zeigte Bilder, die von Iranern über Facebook und Twitter ins Netz gestellt wurden. Das Bild der protestierenden Iraner, das über diesem Text steht, stammt aus einem Amateur-Video.

Journalisten festgenommen

Die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) verurteilte das massive Vorgehen der iranischen Behörden gegen die Medien. Um die Berichterstattung über Betrugsvorwürfe zu unterdrücken, seien Journalisten festgenommen, Zeitungen geschlossen, Webseiten gesperrt, Beamte entlassen, Artikel zensiert und das Mobilfunknetz teilweise gesperrt worden, kritisierte die Organisation. ROG-Generalsekretär Jean-François Julliard sagte der Fernsehnachrichtenagentur APTN in Paris, seit der Wahl seien mindestens zehn iranische Journalisten festgenommen worden. Auch Menschen, die mit Mobiltelefonen Fotos aufgenommen hätten, seien festgenommen worden.

Bei den Unruhen am Rande der Massenproteste nach der Wahl kamen nach einer Meldung des staatlichen Rundfunks sieben Menschen ums Leben. Chamenei kündigte am Montag eine Untersuchung der Wahl durch den Wächterrat an. Ein Sprecher des Wächterrats, Abbas Ali Kadchodaei, kündigte am Dienstag an, es würden diejenigen Wahlbezirke neu ausgezählt, deren Ergebnisse strittig seien. Chamenei sagte, Vertreter aller vier Kandidaten sollten bei einer begrenzten Neuauszählung umstrittener Stimmen anwesend sein.

Ahmadinedschad in Russland

Ahmadinedschad flog am Dienstag nach Russland, nachdem er diesen Besuch wegen der Unruhen um einen Tag verschoben hatte. In Moskau erwähnte er die Demonstrationen mit keinem Wort.

US-Präsident Barack Obama äußerte sich besorgt über die Lage im Iran. Die demokratischen Abläufe wie freie Meinungsäußerung und das Recht auf friedliche Proteste seien universelle Werte, die respektiert werden müssten. Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy verurteilte die Reaktion der iranischen Regierung auf die Massenproteste als brutal.

(AP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort