Protestdemos nach Urteilsverkündung Muslimbruder fordert Todesstrafe für Mubarak

Kairo · Geschrei im Gerichtssaal, Prügeleien auf der Straße und ein schockierter Ex-Präsident, der das Urteil mit maskenhafter Miene entgegennimmt. Der letzte Tag im Prozess gegen Husni Mubarak ist voller Emotionen. Ein Kandidat der Muslimbruder hält an der Todesstrafe für Mubarak fest.

Heftige Demonstrationen nach Mubarak-Urteil
8 Bilder

Heftige Demonstrationen nach Mubarak-Urteil

8 Bilder

Ein Strafgericht in Kairo hat Ägyptens Ex-Präsident Husni Mubarak wegen seiner Mitschuld am Tod von mehr als 800 Demonstranten zu lebenslanger Haft verurteilt. Damit ist der 84-Jährige der erste arabische Herrscher, der von der Justiz für seine Taten bestraft wurde.

Die Verurteilung beeinflusst auch den ägyptischen Wahlkampf. Der Kandidat der Muslimbrüder, Mohammed Mursi, erklärte am Samstag nach der Urteilsverkündung: "Ich halte an der Todesstrafe (für Mubarak) fest." In einer Erklärung des islamistischen Kandidaten hieß es weiter: "Ich fordere die Ägypter auf, ihre friedliche Revolution bis zur Durchsetzung aller Ziele fortzusetzen."

Mursi tritt am 16. und 17. Juni in einer Stichwahl gegen den früheren Luftfahrtminister Ahmed Schafik an. Schafik war von Mubarak wenige Tage vor dessen Rücktritt noch zum Ministerpräsidenten einer Übergangsregierung ernannt worden. Er forderte die Ägypter auf, den Richterspruch gegen den Ex-Präsidenten zu akzeptieren. Dieser habe gezeigt, dass in Ägypten niemand über dem Gesetz stehe, zitierten ihn die staatlichen Medien.

Mubarak nahm das Urteil zunächst ruhig auf, erlitt später jedoch nach Angaben von Augenzeugen eine Art Anfall, als er per Helikopter in eine Gefängnisklinik verlegt wurde. In Kairo demonstrierten Hunderte von Mubarak-Gegner gegen das ihrer Meinung nach zu milde Urteil.

Die Staatsanwaltschaft hatte für Mubarak die Todesstrafe gefordert. Aus Justizkreisen hieß es am Samstag, sowohl der Staatsanwalt als auch die Verteidigung wollten das Urteil anfechten.

Zum Abschluss des zehn Monate langen Prozesses erhielt auch der frühere Innenminister Habib al-Adli eine lebenslange Freiheitsstrafe. Sechs seiner ehemaligen Untergebenen wurden dagegen mit der Begründung freigesprochen, die Beweislage sei nicht klar, da man diejenigen, die bei den Massenprotesten im Januar und Februar 2011 in Kairo auf die Demonstranten geschossen hätten, nicht festgenommen habe.

Richter Ahmed Refaat sprach die Söhne Mubaraks, Alaa und Gamal, vom Vorwurf der Korruption frei. Die beiden bleiben aber in Untersuchungshaft, weil sie noch in einem anderen Verfahren wegen Insiderhandels angeklagt sind. Auch ihr Vater wurde vom Vorwurf der Korruption freigesprochen, wobei Juristen nicht ausschließen wollen, dass er demnächst noch in weiteren Fällen angeklagt werden könnte.

Im Gerichtssaal und vor dem Gebäude kam es nach der Urteilsverkündung zu Prügeleien und Tumulten. Die Polizei schritt ein, als Angehörige getöteter Demonstranten und Mubarak-Anhänger aufeinander losgingen. Nach Angaben staatlicher Medien wurden 24 Menschen verletzt.

Die Gegner Mubaraks reagierten auf das Urteil unterschiedlich. Einige brachen auf der Straße in Jubel aus. Die Anwälte der Opfer riefen nach dem Urteilsspruch im Gerichtssaal: "Ungültig, ungültig". Sie sind der Meinung, dass Mubarak sein Leben am Galgen beenden sollte. Außerdem zeigten sich viele Menschen empört, dass der Prozess für die mitangeklagten Polizeioffiziere mit einem Freispruch endete.

Der Richter begann die Sitzung mit einer Ansprache, in der er die fast 30-jährige Amtszeit Mubaraks als "schwarze Ära" und die sogenannte "Revolution des 25. Januar" als "Morgenröte" bezeichnete. Refaat sprach von einem fairen Prozess. Dagegen hatten nicht nur die Anwälte Mubaraks, sondern auch andere Juristen bemängelt, dass die Beweisführung lückenhaft gewesen sei.

Als man den 84-Jährigen nach dem Urteilsspruch mit einem Hubschrauber zum Tora-Gefängnis flog, brach der ehemalige Staatschef nach Angaben von Augenzeugen zusammen. "Sein Gesundheitszustand hat sich plötzlich sehr verschlechtert, weshalb ihn die Ärzte nach der Landung an Bord des Helikopters versorgen mussten", sagte ein dpa-Mitarbeiter vor Ort.

Das staatliche Nachrichtenportal "Egynews" zitierte einen Arzt, wonach Mubarak sehr schlecht auf die Nachricht reagiert habe, dass er nicht zurück in das Militärkrankenhaus gebracht worden sei, in dem er die vergangenen Monate als Untersuchungshäftling verbracht hatte.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch erklärte, das Urteil sei eine Botschaft an den künftigen Präsidenten Ägyptens, der nun wisse, dass auch er eines Tages zur Rechenschaft gezogen werden könnte. Bedauerlich sei dagegen der Freispruch für hochrangige Funktionäre des Innenministeriums. Dies könnte als Freibrief für weitere Menschenrechtsverletzungen verstanden werden.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort