Ägypten versinkt in Gewalt Mursi holt sich Armee zur Hilfe

Istanbul/Kairo · Abermals wird Ägypten durch eine Serie von Gewalt erschüttert. Nachdem bei Krawallen Dutzende ums Leben kamen, hat Präsident Mursi nun den Ausnahmezustand für drei Städte angeordnet. Ausgangssperren wurden verhängt.

 Port Said, Ismailia, Suez und auch auf dem Tahrirplatz in Kairo kam es am Wochenende erneut zu Ausschreitungen.

Port Said, Ismailia, Suez und auch auf dem Tahrirplatz in Kairo kam es am Wochenende erneut zu Ausschreitungen.

Foto: afp, MOHAMMED ABED

Die Regierung will Präsident Mohammed Mursi außerdem Sondervollmachten einräumen. Das Kabinett nahm am Montag einen Gesetzentwurf an, der Mursi den Einsatz der Armee im Landesinneren erlaubt. Das wichtigste Oppositionsbündnis wies einen Aufruf Mursis zum Dialog zurück.

Die Soldaten sollen künftig gemeinsam mit der Polizei für den Erhalt der öffentlichen "Sicherheit" und den Schutz wichtiger Einrichtungen eingesetzt werden dürfen, wie die staatliche Nachrichtenagentur Mena meldete. Die Sondervollmachten des Präsidenten sollen bis zu Parlamentsneuwahlen in Kraft bleiben. Neuwahlen sollen nach den bisherigen Planungen in wenigen Monaten stattfinden.

Mursi könnte die Sondervollmachten dem Entwurf zufolge im Bedarfsfall eigenmächtig immer dann nutzen, wenn er dies als erforderlich ansieht. Das Gesetz muss noch von dem von Islamisten dominierten Oberhaus verabschiedet werden.

Nach einem blutigen Wochenende mit vielen Toten hatte Mursi für 30 Tage den Ausnahmezustand für drei Städte am Suez-Kanal verhängt. In Port Said, Suez und Ismailia gilt von Montag an auch eine Ausgangssperre zwischen 9 Uhr abends und 6 Uhr morgens, wie das islamistische Staatsoberhaupt am Sonntagabend in einer vom Staatsfernsehen übertragenen Rede verkündete.

"Wenn die Nation in Gefahr ist, muss ich harte Maßnahmen ergreifen." Bei den Zusammenstößen waren am Wochenende mindestens 38 Menschen ums Leben gekommen, Hunderte wurden verletzt. Die Armee postierte daraufhin Truppen und Panzer an den Brennpunkten, um mit ihrer Präsenz für Ruhe zu sorgen.

Auslöser der jüngsten Gewaltwelle unmittelbar nach dem zweiten Jahrestag der Revolution war die Verhängung der Todesstrafe gegen Anhänger des Fußballklubs Al-Masri aus Port Said. Ihnen wird vorgeworfen, am 1. Februar 2012 im Fußballstadion mit brachialer Gewalt auf Fans des Kairoer Vereins Al-Ahli losgegangen zu sein. Damals hatten nach dem Abpfiff Fans der Heimmannschaft das Spielfeld gestürmt und waren mit Brechstangen, Messern und Schusswaffen auf die Unterstützer des rivalisierenden Klubs losgegangen. 74 Menschen starben.

Ausschreitungen bei Trauermarsch

Von den Al-Masri-Fans wurden später 61 wegen Mordes angeklagt. Neun Polizisten wurden wegen Nachlässigkeit im Dienst vor Gericht gestellt, weil sie die Fans vor dem Spiel nicht gründlich nach Waffen durchsucht hätten. Sie waren nicht unter den Verurteilten vom Wochenende. Für die Polizisten und die übrigen Angeklagten fällt der Richterspruch am 9. März. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Anhänger des Vereins Al-Ahli feierten die Entscheidung der Richter am Samstag. In Port Said eskalierte dagegen die Gewalt, als eine wütende Menschenmenge versuchte, ein Gefängnis zu stürmen und die Verurteilten zu befreien. 31 Menschen starben, darunter auch zwei Polizisten.

Bei einem Trauermarsch für die Opfer der Krawalle mit Tausenden Teilnehmern in Port Said kam es am Sonntag erneut zu Ausschreitungen. Es gab heftige Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften, Schüsse waren zu hören, Tränengas wurde eingesetzt. Dabei kamen sieben Menschen ums Leben, Hunderte wurden verletzt.

Auch in Kairo kam es am Wochenende immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Regierungsgegnern und der Polizei. Nach Behördenangaben wurden wegen Krawallen in der Hauptstadt 68 Menschen festgenommen. Die Muslimbruderschaft machte "Vandalen" und "Saboteure" für die Ausschreitungen verantwortlich. Ägyptens wichtigster Oppositionsblock machte wiederum den Präsidenten für das brutale Vorgehen von Sicherheitskräften gegen Demonstranten verantwortlich.

(dpa/das)
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