Ägyptische Justiz Mubarak könnte bald freikommen

Kairo/Brüssel · In Ägypten fließt weiter Blut. Erst kommen 36 Islamisten bei einem Gefangenentransport grausam ums Leben, dann massakrieren Extremisten 25 Polizisten. Der einzige, der sich an diesem Montag freuen kann, ist Ex-Präsident Husni Mubarak - er kommt womöglich bald frei.

Mubarak lässt sich im Krankenbett ins Gericht fahren
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Mubarak lässt sich im Krankenbett ins Gericht fahren

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Foto: dpa, lb adp cul

Die Lage in Ägypten spitzt sich dramatisch zu. Der Machtkampf zwischen den Anhängern der vom Militär entmachteten Muslimbruderschaft und dem Sicherheitsapparat hat binnen weniger Stunden weitere 60 Opfer gefordert. Dutzende Islamisten sterben in Polizeigewahrsam. Militante Extremisten erschießen wenige Stunden später 25 Polizisten. Die Europäer wollen dem Blutvergießen am Nil nicht tatenlos zusehen: Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton will am Mittwoch bei einem Sondertreffen der europäischen Außenminister Vorschläge machen.

Der nach Massenprotesten im Februar 2011 gestürzte Langzeitherrscher Husni Mubarak könnte bald auf freien Fuß kommen. Ein Gericht in Kairo ordnete am Montag in einem Korruptionsverfahren gegen Mubarak ein Ende der Haft an. Mubaraks Anwalt Farid al-Dib sagte einem ägyptischen Fernsehsender, er rechne damit, dass der 85-Jährige bald freikomme. In dem Hauptverfahren wegen der Beteiligung an der Tötung von mehr als 800 Demonstranten ist die maximale Dauer der Untersuchungshaft für Mubarak bereits abgelaufen.
Bislang wurde er in keinem Verfahren rechtskräftig verurteilt.

Massaker an Polizisten

Indessen werden immer mehr Details über ein Massaker an Polizisten auf der Sinai-Halbinsel bekannt. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen griffen elf bewaffnete Männer mit Panzerfäusten zwei Minibusse mit Angehörigen der Ordnungspolizei westlich der Grenzstadt Rafah an. Die Angreifer brachten die Fahrzeuge zum Stehen. Dann holten sie alle 27 Polizisten aus den Minibussen heraus und ließen die beiden Fahrer ziehen. Die Polizisten mussten sich hinlegen. Die Extremisten schossen nach Angaben eines Polizisten, der den Tatort später besuchte, fünf Minuten lang auf die Angehörigen der Ordnungspolizei. Nur zwei Polizisten überlebten schwer verletzt.

Viele Bewohner der Städte im Norden der Sinai-Halbinsel forderten nach der Attacke die Entlassung des Sicherheitschefs der Provinz. Sie kritisierten, es sei unverantwortlich gewesen, die Polizisten, die in den Urlaub fahren wollten, in der aktuellen Situation unbewaffnet mit privaten Minibus-Taxis fahren zu lassen.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle verurteilte die Tötung der Polizisten. "Die Spirale der Gewalt, die Ägypten erschüttert, muss jetzt dringend gestoppt werden", sagte er in Berlin. Israel warnte seine Bürger eindringlich vor Reisen auf die Sinai-Halbinsel. Die Region Rafah gilt als Hochburg militanter Salafisten. Die salafistische Al-Nur-Partei verurteilte die Tötung der Polizisten. Dies sei ein krimineller Akt, der den Prinzipien des Islam widerspreche, zitierten staatliche Medien den Parteivorsitzenden Junis Machiun.

Anhänger der Muslimbruderschaft ums Leben gekommen

Wenige Stunden vor dem Angriff auf Polizisten waren 36 Anhänger der Muslimbruderschaft in Polizeigewahrsam ums Leben gekommen. Staatliche Medien berichteten, die Untersuchungshäftlinge hätten am Sonntagabend versucht zu fliehen, während sie von der Sicherheitsdirektion in Kairo in ein Gefängnis verlegt werden sollten. Die Polizei habe Tränengas eingesetzt, die Gefangenen seien in einem Transportfahrzeug erstickt. Die Muslimbruderschaft erklärte dagegen, die Polizisten hätten die Gefangenen erschossen.

Der ehemalige Präsidentschaftskandidat Hamdien Sabahi forderte auf Twitter, eine Untersuchungskommission müsse klären, wie die Untersuchungshäftlinge vor dem Gefängnis Abu Sabal getötet werden konnten. Der Kommission sollten Juristen und Menschenrechtler angehören.

Die EU will handeln, um die gefährliche Ägyptenkrise möglichst zu entschärfen. Zu den Optionen gehören der Stopp von Waffenexporten oder die Sperrung milliardenschwerer Finanzhilfen und Kredite. Der EU-Sonderbeauftragte Bernardino Leon sagte nach Krisenberatungen der ständigen EU-Vertreter in Brüssel: "Heute wurden keine Optionen ausgeschlossen." Von Sanktionen sei aber keine Rede gewesen. "Wir sind überzeugt, dass eine politische Lösung möglich ist."

Erbitterter Machtkampf

Seit der gewaltsamen Räumung von zwei Protestlagern der Anhänger des islamistischen Ex-Präsidenten Mohammed Mursi am vergangenen Mittwoch ist ein erbitterter Machtkampf zwischen der neuen und der alten Führung entbrannt. Die Armee hatte Mursi, der in Untersuchungshaft sitzt, am 3. Juli abgesetzt, nachdem Millionen Demonstranten seinen Rücktritt gefordert hatten.

"Die Menschlichkeit und die Gerechtigkeit sind aus Ägypten geflohen", schrieb der ägyptische Menschenrechtler Gamal Eid auf Twitter. Wie ihm geht es vielen Ägyptern, die in den zweieinhalb Jahren seit dem Sturz von Präsident Husni Mubarak vergeblich auf bessere Zeiten gewartet haben.

Die verheerenden Auswirkungen der Unruhen auf die Wirtschaft, zeigen sich in den Touristenzentren des Landes. Von den rund 42 000 Hotelbetten in der südlichen Stadt Luxor waren in der vergangenen Woche nach Angaben der örtlichen Vereinigung der Tourismusindustrie gerade einmal 1052 belegt. Zahlreiche Hotels hätten bereits Mitarbeiter entlassen oder ganz geschlossen.

(dpa)
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