Razzien vor Großkundgebung Moskau geht gegen Putins Kritiker vor

Moskau · Harter Schlag gegen die russische Opposition: Unmittelbar vor einer geplanten Massenkundgebung gegen Kremlchef Wladimir Putin schikaniert die Polizei prominente Regierungsgegner, durchsucht Wohnungen und lädt zu Verhören vor. Bürgerrechtler glauben zu wissen, welche Strategie der Kreml damit verfolgt. Einer vergleicht die Aktion mit Säuberungsaktionen unter Stalin.

Mai 2012: 400 Festnahmen bei Protesten gegen Putin
13 Bilder

Mai 2012: 400 Festnahmen bei Protesten gegen Putin

13 Bilder

Es werde wegen der Anstiftung zu Massenunruhen während einer Anti-Putin-Demonstration am 6. Mai ermittelt. Experten in Moskau sprachen von Einschüchterung und Provokation vor der für diesen Dienstag geplanten Großkundgebung.

Alle Betroffenen seien für Dienstag zum Verhör bestellt, sagte der Sprecher der Ermittlungsbehörde, Wladimir Markin, am Montag der Agentur Interfax. Damit können die Regierungsgegner aller Voraussicht nach nicht an der für Dienstag geplanten Demonstration teilnehmen.

Die koordinierte Aktion am Morgen traf unter anderem den Anwalt und Blogger Alexej Nawalny, den Linkspolitiker Sergej Udalzow, Ilja Jaschin von der Organisation Solidarnost, Ex-Vizepremier Boris Nemzow und die bekannte Fernsehmoderatorin Xenia Sobtschak. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International verurteilte die beispiellose Razzia als politisch motiviert.

Erinnerungen an Stalin-Säuberungen

Der Menschenrechtsbeauftragte des Kreml, Michail Fedotow, zeigte sich "schockiert". Er rief Demonstranten und Sicherheitskräfte zur Zurückhaltung bei der Kundgebung auf. Der Bürgerrechtler und Journalist Waleri Borschtschow kritisierte den "Einschüchterungsversuch". "Das erinnert an 1937, als Verhaftungen nur heimlich nachts und außerhalb der Arbeitszeit durchgeführt wurden", sagte Borschtschow und verwies damit auf die Säuberungen unter Sowjetdiktator Josef Stalin.

Die Durchsuchungen sollten die Opposition verärgern und radikalisieren, vermutete der bekannte Bürgerrechtler Lew Ponomarjow. Ziel sei, dass der friedliche Protestmarsch außer Kontrolle gerate.

Die Ermittler hätten alle elektronischen Datenträger und sogar Fotos und ein T-Shirt beschlagnahmt, schrieb Nawalny bei Twitter. Auch das Büro des Anti-Korruptionskämpfers wurde stundenlang durchsucht. Behördensprecher Markin wies Vorwürfe zurück, dass die Anwälte der Betroffenen bei den Ermittlungen nicht zugelassen worden seien.

Zehntausende werden erwartet

Zu dem Marsch erwarten die Regierungsgegner zehntausende Teilnehmer. Trotz der Durchsuchungen bei den Oppositionsführern und ihrer Vorladung zum Verhör zum Zeitpunkt der Protestveranstaltung werde die Aktion wie geplant stattfinden, sagte ein Sprecher des Organisationskomitees.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck sprach von einer "Taktik der Repression". Putin könne damit allerdings nur kurzfristig Erfolg haben, langfristig manövriere er sein Land damit ins Abseits, teilte Beck in Berlin mit.

Seit vergangenem Samstag gilt in Russland ein neues Versammlungsgesetz, das deutlich höhere Geldstrafen für Verstöße gegen das Demonstrationsrecht vorsieht. Das Gesetz war vorgeschlagen worden, nachdem die Proteste gegen Putin am 6. Mai eskaliert waren. Es gab Dutzende Verletzte und Hunderte Festnahmen.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort