Festnahmen in Athen Mit Blut und Schweiß gegen die Sparpläne

Athen/Brüssel (RPO). Mit einem landesweiten Streik und Demonstrationen in Athen und Thessaloniki haben die Griechen am Mittwoch erneut ihre scharfe Ablehnung der Sparpläne der Regierung zum Ausdruck gebracht. In Athen kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. In Brüssel berieten Politiker und Finanzexperten über die Schuldenkrise des Mittelmeerlandes. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat weitere Entscheidungen von den Erkenntnissen der sogenannten Troika abhängig gemacht.

Ausschreitungen bei Protesten in Athen
8 Bilder

Ausschreitungen bei Protesten in Athen

8 Bilder

In Griechenland kam am Mittwoch das öffentliche Leben weitgehend zum Stillstand: Neben Beamten legten die Fluglotsen und zahlreiche Bahnmitarbeiter ihre Arbeit nieder, was zu Flugausfällen und Behinderungen im Schienenverkehr führte. Auch deutsche Fluggesellschaften mussten zahlreiche Flüge nach Griechenland verschieben oder streichen. Der Streik sollte 24 Stunden andauern. Auch viele Schulen, Gerichte und andere Behörden blieben geschlossen. Zahlreiche Krankenhäuser erhielten nur eine Notversorgung aufrecht.

Die Bediensteten des öffentlichen Sektors wehren sich mit dem Ausstand gegen Sparmaßnahmen der Regierung. Um dem riesigen Schuldenberg Herr zu werden, will diese unter anderem etwa 30.000 staatliche Mitarbeiter entlassen, weiterhin sind die Einführung einer neuen Immobiliensteuer und Rentenkürzungen geplant. Nach Angaben des Finanzministeriums bringen die für 2011 und 2012 beschlossenen Sparmaßnahmen 6,6 Milliarden Euro ein.

Proteste weitgehend friedlich - einige Festnahmen in Athen

In Athen gingen laut Polizei rund 20.000 Menschen auf die Straße, in Thessaloniki demonstrierten 10.000 Menschen. "Jedes Mal, wenn das Staatsdefizit steigt, führen sie neue Steuern ein, das Leben hier wird einfach zu teuer", sagte ein bei der Stadt Athen angestelltes Paar. In der Hauptstadt setzte die Polizei nach eigenen Angaben Tränengas gegen eine Gruppe hunderter schwarzgekleideter Vermummter ein, nachdem einige brennende Geschosse und Steine geworfen hatten. Mindestens zwei Demonstranten wurden verletzt, mehrere festgenommen. Die Demonstrationen in den anderen Städten des Landes verliefen friedlich, wie das Fernsehen berichtete.

Für den 19. Oktober ist gemeinsam mit dem Privatsektor ein landesweiter Generalstreik geplant. Die Einsparungen sind eine Bedingung der Troika aus EU, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) für die Auszahlung einer weiteren Tranche des ersten Hilfspakets in Höhe von acht Milliarden Euro. Eine Entscheidung darüber wurde jüngst aufgeschoben, weil die Troika mehr Zeit benötigt, der IWF zeigte sich aber am Mittwoch zuversichtlich angesichts einer baldigen Auszahlung.

Allerdings sprach sich IWF-Europadirektor Antonio Borges für eine Überarbeitung des erst im Juli verhandelten zweiten Hilfsprogramms für Griechenland aus. Nötig sei ein Programm, das den Schwerpunkt auf die Tragfähigkeit der Schulden des Landes und Wirtschaftswachstum lege. Athen hatte am Wochenende erklärt, seine Sparziele für 2011 und 2012 nicht zu erreichen. Die Eurogruppe prüft inzwischen eine größere Beteiligung der Banken an dem zweiten Paket, wie Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Dienstag in Luxemburg sagte.

Merkel: Keine Entscheidung über Griechenland vor Troika-Bericht

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat weitere Entscheidungen über einen möglichen Schuldenschnitt für Griechenland von den Erkenntnissen der sogenannten Troika abhängig gemacht. Man habe Resultate vom 21. Juli, bei denen man eine freiwillige Beteiligung privater Gläubiger habe, sagte Merkel am Mittwoch in Brüssel. Nun müsse man schauen, "ob die aktuellen Zahlen Griechenlands noch zu diesen Beschlüssen passen" oder ob Änderungen nötig seien.

Auf Basis diesen Berichtes von Experten von EU, Internationalem Währungsfonds (IWF), und Europäischer Zentralbank (EZB) werde man dann entscheiden, "wie wir weiter fortfahren", sagte sie. "Deshalb warten wir auf diesen Troika-Bericht und werden dann das Notwendige tun."

Die Mitgliedschaft Griechenlands in der Eurozone stellte Merkel nicht in Frage. "Ich sehe die Notwendigkeit, dass Griechenland Teil des Euroraums bleibt", betonte sie. Das Land müsse die Chance bekommen, wieder auf die Beine zu kommen. "Wir wollen dort auch Wachstum, nicht nur immer neue Belastungen."

Wann der Troika-Bericht vorliegen wird, ist noch unklar. Die Experten von EU, EZB und IWF, die die Sparbemühungen der Griechen unter die Lupe nehmen, sind noch vor Ort.

Die Koalition erwägt nach den Worten des haushaltspolitischen Sprechers der Unions-Fraktion, Norbert Barthle, keine Vorsorge im Bundeshaushalt für eine Pleite Griechenlands. "Ein solches 'Finanzpolster' ist derzeit nicht vorgesehen", sagte Barthle am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters in Berlin. Zum einen wäre es nicht sinnvoll, weil es absehbar durch die Erhöhung der Neuverschuldung gebildet werden müsste. Zum anderen dürfe der Bundeshaushalt keine Bürgschaften, Garantien oder sonstige Gewährleistungen übernehmen, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Inanspruchnahme gerechnet werden müsse, sagte Barthle.

Zuvor hatte die "Bild-Zeitung" unter Berufung auf den CDU-Haushaltspolitiker Norbert Brackmann berichtet, im Bundeshaushalt 2012 sollten vorsorglich rund zehn Milliarden Euro zurückgelegt werden. Mit dem Geld sollten bei einer Pleite Griechenlands Löcher im Haushalt gestopft werden. Die Unions-Fraktionsspitze habe diese Pläne begrüßt, schrieb das Blatt.

(AFP/dapd/RTR/felt)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort