Schädliche Medikamente Milosevic-Sohn glaubt weiter an Mord

Den Haag (rpo). Der Sohn des verstorbenen jugoslawischen Expräsidenten Slobodan Milosevic hat Mordvorwürfe bekräftigt. Der laut Obduktion an einem Herzinfarkt gestorbene 64-Jährige sei umgebracht worden. "Es handelt sich um Mord", sagte Marko Milosevic am Dienstag bei seiner Ankunft in den Niederlanden, wo er den Leichnam seines Vaters abholen wollte. Aus Kreisen des UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag verlautete, Milosevic habe bereits seit längerem nicht verordnete Medikamente eingenommen.

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Foto: ddp

Ein Mitarbeiter des UN-Gerichts sagte der Nachrichtenagentur AP, das Tribunal sei wiederholt darüber informiert worden, dass der herzkranke Milosevic von den Ärzten nicht verschriebene Medikamente und auch Alkohol zu sich nehme. Diese seien nach Angaben der Haftanstalt des Gerichtshofs in Scheveningen in die Zelle des Expräsidenten geschmuggelt worden. Der Gerichtsbedienstete, der anonym bleiben wollte, berief sich unter anderem auf ein ärztliches Gutachten von August 2004. Darin seien zwei Ärzte zu dem Schluss gekommen, dass Milosevic die nicht verordneten Medikamente absichtlich nehme.

Zudem habe auch der zuständige Justizvollzugsbeamte Timothy McFadden dem Tribunal von in Milosevics Zelle geschmuggelten Medikamenten berichtet und erklärt, er könne für die Gesundheit des 64-Jährigen nicht länger garantieren, sagte der Informant. McFadden wies Interviewanfragen am Dienstag zurück, auch die Sprecherin des Kriegsverbrechertribunals wollte die Äußerungen des UN-Mitarbeiters nicht kommentieren.

Ein niederländischer Toxikologe hatte am Montag bestätigt, dass er im Blut des Verstorbenen im Januar Spuren des Medikaments Rifampicin entdeckt habe. Dies könne die Wirkung anderer Medikamente zunichte machen, die Milosevic gegen hohen Blutdruck und Herzbeschwerden verschrieben worden waren. Anhänger des Expräsidenten werteten den Befund als weiteren Beleg für ihren Vorwurf, Milosevic sei vorsätzlich falsch behandelt worden. In einem Brief, den der 64-Jährige nach Angaben seines Anwalts drei Tage vor seinem Tod an die russische Regierung schrieb, erhob Milosevic denselben Vorwurf.

Haftbefehl gegen Milosevic-Witwe aufgehoben

Über den Ort der Beisetzung fiel am Dienstag noch keine endgültige Entscheidung. Zwar hob ein Gericht in der serbischen Hauptstadt einen Haftbefehl gegen die Witwe Mirjana Markovic vorübergehend aus, was ihr die Teilnahme an einem Begräbnis in Serbien ermöglicht. Zugleich mussten ihre Anwälte allerdings eine Kaution als Garantie dafür hinterlegen, dass sie zu einer Gerichtsanhörung erscheinen würde. Es war unklar, ob sich Markovic darauf einlassen würde. Die frühere Präsidentengattin ist in Serbien wegen Machtmissbrauchs angeklagt und lebt seit Jahren in Russland. Die Familie habe keine andere Wahl, als um eine vorläufige Beisetzung in Moskau zu bitten, sagte Marko Milosevic. Er habe dazu bereits die Moskauer Behörden kontaktiert. Seines Wissens nach sei der Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow damit einverstanden.

Das Haager Kriegsverbrechertribunal stellte unterdessen das Verfahren gegen Milosevic formell ein. Das Gericht unter Vorsitz des jamaikanischen Richters Patrick Robinson äußerte Bedauern darüber, dass nun kein Urteil fallen werde. "Sein Tod beendet den Prozess", sagte Robinson in der knapp zweiminütigen Sitzung.

Dem früheren Präsidenten Serbiens und später Jugoslawiens wurden insgesamt 66 Kriegsverbrechen in Kroatien, Bosnien-Herzegowina und im Kosovo in den 90er Jahren zur Last gelegt. Milosevic saß seit Juni 2001 im Hochsicherheitstrakt des Haager Tribunals. Der Prozess zog sich wegen langwieriger Verfahrensstreitigkeiten sowie wiederholter Krankheit des Angeklagten in die Länge. Milosevic starb am Samstag laut Autopsie an einem Herzinfarkt.

(afp2)
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