EU-Gipfel in Brüssel Merkel will EU-Schuldensünder härter bestrafen

Brüssel (RPO). Vor dem EU-Gipfel zur Griechenland-Krise am Sonntag hat Bundeskanzlerin Angela Merkel härtere Strafen für EU-Schuldensünder gefordert. "Es muss möglich sein, ein Land vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen, wenn es die Auflagen aus dem Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht erfüllt", sagte Merkel am Samstag. Bei den Beratungen der EU-Staats- und Regierungschefs werden noch keine Entscheidungen über Wege aus der Krise erwartet; Merkel rechnet mit einem Durchbruch beim Folgetreffen am Mittwoch.

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Foto: dpa

"Ich glaube, dass die Finanzminister Fortschritte gemacht haben und dass wir unsere ehrgeizigen Ziele bis Mittwoch erreichen können", sagte sie. Die Lage in Griechenland werde seit dem neuen Troika-Bericht "realistischer" betrachtet. Der Analyse der Experten zufolge klafft in Athen eine Finanzlücke von 252 Milliarden Euro bis zum Jahr 2020. Sie glaube, "dass wir die notwendigen Mittel bereitstellen werden".

Die "weitgehenden Beschlüsse" müssten "ordentlich und sachgerecht vorbereitet sein", fügte Merkel hinzu. Am Wochenende würden technisch zum Teil sehr komplizierte Vorgänge seriös und intensiv vorbereitet. Deutschland und Frankreich müssten daran "sehr aktiv mitwirken, das tun wir". Aber all das erfordere noch viele Arbeiten. Deswegen werde es am Sonntag in der Eurogruppe noch keine abschließenden Entscheidungen geben, sondern Vorbereitungen für den Gipfel am Mittwoch. "An dem wir dann aber abschließend entscheiden werden."

Für die von Deutschland beabsichtigten Vertragsänderungen habe es Zustimmung und Ablehnung bei den Partnern gegeben, sagte Außenminister Guido Westerwelle am Samstagabend in Brüssel nach einem Treffen des Allgemeinen Rates.

Barroso nimmt Regierungen in die Pflicht

EU-Kommissionschef José Manuel Barroso nahm die Regierungen vor dem ersten Teil des Gipfels in die Pflicht. Die Rettung des Euros sei "auch eine Frage des politischen Willens", sagte Barroso auf einer Veranstaltung der Europäischen Volkspartei (EVP) in Meise bei Brüssel. "Ich hoffe, dass alle Staats- und Regierungschefs ihrer Verantwortung gerecht werden."

Die Finanzminister der Euro-Länder kamen unterdessen nach stundenlangen Gesprächen der EU-Finanzminister am Mittag am späten Abend in Brüssel zu einem ungeplanten Treffen zusammen. Die Sitzung sollte bis in die Nacht dauern, wie aus Delegationskreisen verlautete.

Zuvor einigten sich die Minister bereits auf einen großen Schuldenschnitt für Griechenland. Wenn der Schuldenstand Griechenlands bis 2020 auf 110 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung gedrückt werden soll, wäre ein Forderungsverzicht von 60 Prozent notwendig, wie aus der Analyse der Troika aus EU, IWF und EZB hervorgeht. Eine "erhebliche Anhebung" des Bankenbeitrags sei verabredet worden, sagte Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker.

Eine Einigung über den Beitrag der Banken zur Griechenlandrettung ist aber nach Angaben des Geschäftsführers der Bankenlobbygruppe Institute of International Finance (IIF), Charles Dallara, nicht in Sicht. Die Vertreter der Euro-Staaten und die Banken seien "nicht einmal in der Nähe einer Einigung", sagte er.

100 Milliarden Kapitalspritze für Banken vereinbart

Die dänische Wirtschaftsministerin Margrethe Vestager teilte mit, die EU-Finanzminister hätten auch auf eine Rekapitalisierung der Banken geeinigt. Die Staats- und Regierungschefs müssten dies aber noch absegnen. Nach Angaben aus Delegationskreisen sind dafür rund 100 Milliarden Euro im Gespräch. Die Kernkapitalquote der systemrelevanten Banken müsse auf neun Prozent angehoben werden, verlautete von Unterhändlern.

Damit die Banken für den möglichen Schuldenschnitt gerüstet sind, wurde ein dreistufiges Vorgehen bei der Bankenrekapitalisierung verabredet: In einem ersten Schritt sollen die Institute versuchen, sich am Markt selbst mit frischem Geld zu versorgen. Gelingt es ihnen nicht, dann müssen die Staaten einspringen. Erst, wenn die Regierungen selbst überfordert sind, kann der Euro-Rettungsfonds EFSF angezapft werden.

Singapur und Norwegen sollen helfen

Eine Einigung zeichnete sich auch im Streit über einen Hebel für den Rettungsfonds EFSF ab. Zwei Varianten waren am Samstag noch im Gespräch. Eine davon sieht vor, Staatsfonds außerhalb des Währungsgebietes anzuzapfen. Das erfuhr die Nachrichtenagentur dapd am Rande des Finanzministertreffens. Staatsfonds aus Singapur oder zum Beispiel aus Norwegen könnten dafür mit dem EFSF eine Zweckgesellschaft gründen. Das zusätzliche Geld könnte die Schlagkraft des EFSF erhöhen.

Variante zwei ist eine Versicherungslösung: Dabei werden die EFSF-Milliarden zur Absicherung neuer Staatsanleihen genutzt. Mit den Garantien der Europartner könne so ein Anleihenvolumen von mehr als einer Billion Euro "teilkaskoversichert" werden. Nach Diplomatenangaben könnten die beiden Modelle auch kombiniert werden. Der von Frankreich favorisierte Weg, dem EFSF eine Banklizenz zu verschaffen, damit er sich bei der EZB Liquidität besorgen kann, werde indes nicht länger verfolgt, hieß es.

(apd/felt)
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