Kanzlerin spricht auf UN-Gipfel Merkel will arme Länder stärker in die Pflicht nehmen

New York (RPO). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich in ihrer Rede vor dem Millenniumsgipfel der UNO in New York für eine stärkere Erfolgskontrolle bei der Entwicklungshilfe ausgesprochen. Aus Deutschland kam der Vorwurf, die Bundesregierung breche in der Entwicklungshilfe die eigenen Zusagen.

Milleniumsgipfel 2010: Merkel in New York
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Bundeskanzlerin Angela Merkel plädiert für ein neues Denken in der Entwicklungspolitik. Beim Millenniumsgipfel der Vereinten Nationen in New York sprach sich die Kanzlerin dafür aus, die Zahlung von Entwicklungshilfe stärker an die Eigeninitiative der Empfängerländer zu binden. Die Wirksamkeit der Instrumente müsse weiter verbessert werden, sagte die CDU-Chefin mit Blick auf die durchwachsene Zwischenbilanz bei der Bekämpfung von Armut und Hunger auf der Welt.

Bei dem Gipfel in New York berieten die Staats- und Regierungschefs der UN-Mitgliedsländer über die acht Millenniumsentwicklungsziele, die sich die internationale Gemeinschaft vor zehn Jahren setzte. Zentrale Aufgabe ist, Hunger und Armut auf der Welt bis 2015 zu halbieren. Es herrscht Einigkeit, dass in den nächsten fünf Jahren nicht alle Ziele erreicht werden können.

Merkel sagte, die Weltgemeinschaft habe sich vor zehn Jahren die "richtigen Ziele" gesetzt. An einigen Stellen gebe es "bemerkenswerte Fortschritte", etwa bei der Grundbildung oder der Gleichstellung. Hunger und Unterernährung bewegten sich aber noch immer auf einem "unerträglich hohen Niveau". Merkel räumte ein, bis 2015 seien leider nicht alle Millenniumsziele zu schaffen. Dennoch seien die Vorhaben gültig und müssten konsequent durchgesetzt werden. Dies müsse das zentrale Bekenntnis des Gipfels sein.

Die Kanzlerin mahnte, die Wirksamkeit der entwicklungspolitischen Instrumente müsse "zweifellos" besser werden. Der Schlüssel dazu liege auf der Hand. "Wir brauchen mehr Ergebnisorientierung", sagte die CDU-Vorsitzende. Der Entwicklungsprozess liege in erster Linie in der Verantwortung der Regierungen der Entwicklungsländer. "Sie haben es in der Hand, ob Hilfe effizient erfolgen kann. Deshalb ist Unterstützung guter Regierungsführung genauso wichtig wie Hilfe selbst." Die nationalen Regierungen müssten ihre wirtschaftlichen Fähigkeiten selbst fördern, denn ohne eigenes, sich selbst tragendes Wirtschaftswachstum könnten Entwicklungsländer den Weg aus Armut und Hunger nicht schaffen.

Entwicklungshilfe könne abgesehen von Notsituationen "immer nur ein Beitrag zu nationalen Finanzmitteln sein, nie ein Ersatz", stellte Merkel klar. Auch könne Entwicklungshilfe "nicht zeitlich unbegrenzt sein". Das Geld müsse deshalb so nutzbringend eingesetzt werden wie möglich. Merkel betonte zugleich, Deutschland strebe weiterhin an, die eigene Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu steigern.

Die Bundesregierung hat sich dieses Ziel bis 2015 gesetzt. Zuletzt erreichte Deutschland jedoch nur einen BIP-Anteil von 0,35 Prozent. Es wird erwartet, dass das Zwischenziel von 0,51 Prozent im laufenden Jahr verfehlt wird.

In Deutschland sorgte der Rückstand für heftige Kritik. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf Merkel im dapd-Interview Wortbruch vor. Die Bundesregierung sei gegenüber der internationalen Gemeinschaft und der Europäischen Union eine "klare Verpflichtung" eingegangen, wolle jetzt aber nichts mehr davon wissen, beklagte er. Schon jetzt klaffe eine Lücke von einer halben Milliarde Euro zum vereinbarten Zwischenziel, "und das Loch wird jedes Jahr größer". Auch der Linke-Politiker Niema Movassat kritisierte, Deutschland sei vom 0,7-Prozent-Ziel "meilenweit entfernt". Der fehlende politische Wille koste Menschenleben. Die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann, warf der Bundesregierung vor, sie habe für die Millenniumsziele "nicht ausreichend gekämpft".

Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) räumte ein, Deutschland sei bei seinen Zusagen in Verzug geraten. "Wir sind im Moment nicht im Plan, das ist richtig", sagte er. Wegen der Wirtschafts- und Finanzkrise müsse man jedoch eine realistische Messlatte anlegen. Niebel sagte, in diesem Jahr werde ein BIP-Anteil von 0,4 Prozent für die Entwicklungshilfe erreicht. Das 0,7-Prozent-Ziel gelte weiter, stellte er klar, "nur dass wir das alles nur mit Steuermitteln finanzieren können, das halte ich nicht für sinnvoll und nicht für realistisch." Unter anderem plädierte er dafür, Geld aus der privaten Wirtschaft für die Entwicklungszusammenarbeit zu mobilisieren.

(dapd/pst)
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