EU-Gipfel in Brüssel Merkel und Sarkozy bearbeiten Berlusconi

Brüssel (RPO). Berlusconi treibt den Euro-Rettern den Angstschweiß auf die Stirn. Während andere mit Milliarden um das Überleben des Euro kämpfen, wachsen die Zweifel an der Zuverlässigkeit des italienischen Regierungschefs. Noch vor Beginn des EU-Gipfels baten Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Nicolas Sarkozy Berlusconi zum Gespräch. Ihr Ziel: den Druck erhöhen.

Das sind die Instrumente zur Euro-Rettung
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Foto: dpa

Europas Regierungschefs versuchen in Brüssel mit einem weiteren Krisengipfel wieder die aus den Ufern laufende Schuldenkrise in den Griff zu bekommen. Vor allem Italien bereitet Sorgen. In der EU hat es den zweithöchsten Schuldenstand nach Griechenland. Doch im Vergleich zu Griechenland ist Italien ein Schwergewicht. So horrend und schier endlos sich die griechischen Schuldentragödie auch erweist - im Vergleich zu Italien scheint sie immer noch handhabbar. Ein Scheitern Italiens in Kampf gegen seine horrenden Staatsschulden wäre das Horrorszenario.

Doch Berlusconi laviert. Im Laufe der vergangenen Monate hat er sich als politisches Irrlicht erwiesen. Mehrfach ließ er Sparpakete bauen, schnürte sie dann aber wieder auf, wenn Lobbygruppen sich zur Wehr setzen. Entsprechend tief sind die Zweifel bei den anderen Europäern, dass Berlusconi seine Sparversprechen am Ende auch umsetzt. Zumal dessen Bereitschaft zu schmerzhaften Einschnitten bei Berlusconi relativiert sein dürfte, seitdem die EZB schon einmal italienische Staatsanleihen kaufte und das Land damit aus dem ärgsten Stress an den Finanzmärkten herauspaukte.

Mehr Druck auf Berlusconi

Nun soll der Druck auf Berlusconi erhöht werden, seine Sparbeschlüsse auch umzusetzen. Zu Beginn des EU-Gipfels in Brüssel wurden daher am Sonntag gleich zwei Sondertreffen mit Berlusconi abgehalten. Nach einem Vier-Augen-Gespräch mit EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy wurde Berlusconi auch zu einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy einbestellt. "Ziel ist es, Druck auf Berlusconi auszuüben", sagte ein Diplomat eines europäischen Landes.

Die EU-Kommission verlangt zudem echte Strukturreformen in dem Land, um es besser gegen Krisen zu wappnen. Merkel und Sarkozy wollten Berlusconi dazu bewegen, beim Gipfel zusätzliche Reformschritte anzukündigen. Merkel hatte mit dem italienischen Regierungschef, der sich trotz aller Skandale und vielfacher Sturzversuche im Amt halten konnte, schon am Vorabend bei einem konservativen Parteitreffen lange gesprochen.

"Noch nie durchgefallen"

Merkel hatte zuvor öffentlich gewarnt, kein Euro-Schutzschirm könne Stabilität schaffen, wenn Italien nicht von seinem Schuldenberg von 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts herunterkomme. Berlusconi sagte, er glaube, er habe Merkel von der Sparpolitik seiner Regierung überzeugt. "Wir wollen die Botschaft senden, dass wir unsere Hausaufgaben gemacht haben." Er sei in seinem Leben noch nie bei einer Prüfung "durchgefallen". Schon am Vorabend hatte Berlusconi mitgeteilt, dass er mit Merkel gesprochen habe, um seinen Standpunkt zu verteidigen. Auf die Frage, ob er die Kanzlerin überzeugt habe, sagte er: "Ich denke."

Die Gesamtverschuldung der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone liegt bei rund 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Unter den Ländern der Währungsunion ist der Schuldenstand nur im schwer angeschlagenen Griechenland höher. Wegen seiner Größe wäre eine Rettung Italiens aber weit schwieriger als die Griechenlands.

Erklärstunde für Berlusconi

Dabei hätten sie ihm die Notwendigkeit glaubwürdiger und konkreter Reformschritte in den Euro-Staaten erklärt, hieß es in deutschen Regierungskreisen. Italien ist mit seinem hohen Schuldenstand und seinem niedrigen Wachstum eine Schwachstelle der Euro-Zone. Die Schuldenkrise war im Sommer eskaliert, als nur massive Aufkäufe von italienischen und spanischen Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank verhindern konnten, dass nach drei kleinen auch zwei großen Ländern finanziell die Luft abgeschnürt wird.

Um die größeren Länder vor dem Schuldenkollaps zu bewahren, muss die Euro-Zone viel größere Geschütze auffahren. Die Staats- und Regierungschefs wollten am Sonntag sowie bei einem weiteren Sondergipfel am Mittwoch in Brüssel erneut ein umfassendes Gesamtpaket auf die Beine stellen. Sie wollen - vor allem zum Schutz Italiens, Spaniens und letztlich auch Frankreichs - dem Euro-Rettungsfonds EFSF ermöglichen, über einen Hebel seinen gerade unter politischen Mühen auf 440 Milliarden Euro erhöhten Kreditrahmen zu vervielfachen, ohne die Haftung zu erhöhen.

Banken sollen Hälfte der Forderungen abschreiben

Zur Lösung der Krise Griechenlands muss das zweite Hilfsprogramm neu verhandelt werden. Die Banken sollen dabei auf 50 bis 60 Prozent ihrer Forderungen an Griechenland verzichten statt der im Juli vereinbarten 21 Prozent. Gleichzeitig sollen sie dazu verpflichtet werden, rund 100 Milliarden Euro frisches Kapital aufzunehmen, um den höheren Schuldenschnitt verkraften zu können. Für einen krisenfesten Euro in der Zukunft soll außerdem die Koordination der Wirtschafts- und Finanzpolitik enger werden. Deutschland fordert dazu eine Änderung des EU-Vertrages, wogegen sich aber etliche Länder sträuben.

Bundeskanzlerin Merkel dämpfte die Erwartung auf endgültige Beschlüsse am Sonntag. Die technisch komplizierten Entscheidungen über den effektiveren Einsatz des EFSF würden zunächst nur gründlich vorbereitet. Einen "Durchbruch" werde es erst am Mittwoch geben. Die Zweiteilung des Gipfels liegt nicht nur am Streit über die Hebelwirkung beim EFSF. Merkel kann solch weitreichenden Beschlüssen neuerdings auch erst zustimmen, wenn der Bundestag grünes Licht gegeben hat. Die deutsche Gesetzeslage zur Euro-Rettung wurde entsprechend verschärft, nachdem das Bundesverfassungsgericht mit seinem Euro-Urteil eine stärkere Mitwirkung des Bundestages bei haushaltsrelevanten Entscheidungen verlangt hatte.

Umstritten ist unter den Euro-Ländern nach wie vor, ob der EFSF mit oder ohne die EZB seine Kredite als Basis für einen Hebel nutzen soll. Deutschland tritt für eine Versicherungslösung ein, bei der der EFSF privaten Käufern von Staatsanleihen einen Teil des Verlustrisikos abdecken würde. Frankreich besteht EU-Diplomaten zufolge weiterhin darauf, dass der EFSF eine Banklizenz bekommen soll, um sein Kreditvolumen über eine Refinanzierung bei der EZB zu vervielfachen. Deutschland ist dagegen, weil dies gegen das vertraglich festgelegte Verbot der Staatsfinanzierung durch die Notenbank verstoßen würde. Es wird dabei von den Niederlanden, Finnland und Österreich unterstützt.

Juncker kritisiert Bundestag

In der Euro-Zone sorgt derweil die Sonderrolle des deutschen Bundestages für Verdruss. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker kritisierte im "Spiegel", dass der Bundestag notwendige schnelle Entscheidungen in der Krise behindere. Er habe Verständnis, dass der Bundestag sein Königsrecht, die Haushaltskontrolle, ausüben wolle - "aber das darf nicht dazu führen, dass die EU nicht in der gebotenen Schnelligkeit reagieren kann". Auch der belgische Regierungschef Yves Leterme forderte, die Entscheidungen nicht zu verschleppen. "Es ist entscheidend, dass wir morgen früh, wenn die Märkte öffnen, genug Fortschritt gemacht haben, so dass die Glaubwürdigkeit des Euro nicht in Gefahr ist", forderte er. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy erklärte, auch der Gipfel am Mittwoch könne die Krise noch nicht endgültig lösen. Weitere Schritte seien notwendig.

(RTR/AFP/pst)
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