Human Rights Watch besorgt über Griechenland Massiver Anstieg von rechter Gewalt

Athen · Bei den Parlamentswahlen wurde es besonders deutlich: Rechtsextreme in Griechenland bekommen angesicht der Armut in der Krise Aufwind. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch beklagt nun einen massiven Anstieg von rassistischen Überfällen.

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Es ist eine Woche nach den Parlamentswahlen, als 50 Männer auf Motorrädern und bewaffnet mit Holzstöcken durch die griechische Stadt Nikaia fahren, wie die "New York Times" schreibt. Nach Aussagen von Bewohnern hätten sie Immigranten, die dort Geschäfte haben, ein Ultimatum gestellt.

"Sie sagten: 'Ihr seid der Grund für Griechenlands Probleme. Ihr habt sieben Tage Zeit zu schließen oder wir werden euren Laden abbrennen'", zitiert die Zeitung Mohammed Irfan, einen legalen pakistanischen Einwanderer, der drei Geschäfte sein eigen nennt. Es sind Drohungen, von denen in den Tagen der Krise öfter berichtet wird aus Griechenland. Und es bleibt nicht bei Drohungen.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat jetzt einen Bericht über rechte Gewalt in Griechenland veröffentlicht — und erhebt schwere Vorwürfe gegen die Behörden. Sie hatte mit Menschen gesprochen, die Opfer eines rassistischen Überfalls geworden waren.

Bürgerwehren und Hilfen für Arme

"Menschen, die aus Kriegsgebieten kommen, gehen in Athen nachts nicht auf die Straße — aus Angst vor Übergriffen", zitiert die Organisation ihre Westeuropa-Expertin Judith Sunderland. Weder die Polizei noch die Justiz würden die zunehmenden Übergriffe verhindern oder bestrafen. Die meisten Angriffe geschehen demnach nachts auf oder in der Nähe von zentralen Plätzen. Die Angreifer träten in Gruppen auf, seien oft maskiert. Manche seien mit Motorrädern geflüchtet. Und oftmals seien die Übergriffe mit Aufforderungen verbunden, Griechenland zu verlassen.

Von Einschüchterungsversuchen insbesondere der rechtsextremen Partei Chrysi Avgi war bereits vor den Parlamentswahlen die Rede. Und mit ihrer Botschaft, "Griechenland vom Schmutz" zu befreien, konnten sie punkten, zogen erstmals in das Parlament ein. Denn sie fuhren eine doppelte Strategie. Sie bauten Bürgerwehren auf und halfen zugleich den Armen, in dem sie sie mit Nahrungsmitteln versorgten.

Dass aber Übergriffe wie in Nikaia etwas mit der Partei zu tun hätten, das verneint der Sprecher Chrysi Avgi, wie auch die "New York Times" berichtet. "Das ist Science Fiction, ein Drehbuch und eine bürgerliche Legende", zitiert die Zeitung Ilias Kasidiaris, welche übrigens jener Rechtsextremist ist, der in einer TV-Sendung eine Frau verprügelte.

Laut Human Rights Watch haben bisherige Polizeianalysen oder Urteile die Gewalttaten nicht mit der rechtsextremen Partei in Verbindung gebracht. Allerdings gebe es Hinweise darauf, dass Mitglieder oder ihnen nahestehende Personen für rassistische Übergriffe verantwortlich seien.

Viele Migranten sehen von Anzeigen ab

Und viele Griechen scheinen tatsächlich in den Immigranten ein Problem zu sehen. Die "New York Times" etwa zitiert Stratos Papadeas, der einen Geschenkeladen in Athen betreibt und genervt ist von illegalen pakistanischen oder afrikanischen Einwanderen, die gefälschte Designerware verkauften. "Sie zerstören die Jobs der Griechen", sagte er der Zeitung. "Sie verschrecken die Kunden und sie sind kriminell. Ich bin kein Rassist, aber etwas muss getan werden."

Dass etwas getan werden muss, sieht auch Human Rights Watch — allerdings in Bezug auf die Polizei in Griechenland. Die Organisation fordert von der Regierung, dass sie fremdenfeindliche Angriffe nicht mehr tolerieren solle und ausgebildete Polizisten an Brennpunkte stellen solle, um Angriffen vorzubeugen. Außerdem fordert sie die Verurteilung von Rassismus innerhalb von Polizei und Staatsanwaltschaft.

Denn das zeigt der Bericht der Organisation: Dass viele Migranten inzwischen von Anzeigen absehen — weil sie illegal im Land sind und Polizisten sie entmutigt haben, rechtlich gegen Übergriffe vorzugehen. So werde ihnen beispielsweise gesagt, dass ein Verfahren aussichtlos sei.

Und so sagt auch der Somalier Sahel Ibrahim der Organisation: "Ich denke nicht, dass sie mir helfen können. Sie kennen die Situation, sie wissen Bescheid über alle Probleme. Warum sitzen sie immer noch herum? Wir brauchen Regeln."

(das)
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