Massenstreiks in Belarus Mehrere Studenten protestieren gegen Lukaschenko

Minsk · 26 Jahre ist Alexander Lukaschenko bereits in Belarus an der Macht. Viele junge Menschen haben ihr Land noch nie ohne den autoritären Präsidenten erlebt. Auch sie schließen sich den Protesten an, die die Ex-Sowjetrepublik seit Wochen erschüttern.

 Polizisten nehmen bei einem Protest in Minsk einen Demonstranten fest.

Polizisten nehmen bei einem Protest in Minsk einen Demonstranten fest.

Foto: dpa/Uncredited

Zum Start in das neue Studienjahr sind die Sicherheitskräfte in Belarus (Weißrussland) gegen Studenten vorgegangen, die gegen den umstrittenen Präsidenten Alexander Lukaschenko demonstriert haben. Dabei nahm die Polizei am Dienstag in der Hauptstadt Minsk wieder viele Menschen fest. Auf Videos war zu sehen, wie die Sicherheitskräfte die Studenten verfolgten und in Polizeibusse zerrten. Das Menschenrechtszentrum Wesna sprach am frühen Nachmittag von mehr als 15 Festnahmen. Am 24. Protesttag in Folge nahmen auch Arbeiter in Staatsunternehmen an Streiks teil. In dieser Woche wollte die Opposition den Druck auf den Machtapparat mit einem landesweiten Ausstand deutlich erhöhen.

Wie viele Menschen dem Aufruf der Opposition folgten, war zunächst nicht eindeutig klar. In einem Industriebetrieb in Grodno sei niemand zur Arbeit gekommen, berichtete das Internetportal tut.by. Auch in einem Traktorenbetrieb in der Hauptstadt sammelten sich die Angestellten auf der Straße. Einige hielten Schilder hoch, auf denen „Solidarität“ zu lesen war.

Hunderte Studenten zogen friedlich durch Minsk zum Bildungsministerium. Sie trugen dabei die historischen weiß-rot-weißen Landesflaggen bei sich, die bei den Protesten der Opposition immer wieder geschwenkt werden. Aktionen gab es auch in anderen Städten des Landes. Am 1. September beginnt in den meisten Ex-Sowjetrepubliken traditionell das neue Schuljahr und Semester.

Seit der von massiven Fälschungsvorwürfen überschatteten Präsidentenwahl vor mehr als drei Wochen kommt es täglich zu Protesten gegen Lukaschenko, der seit 26 Jahren an der Macht ist. Er hatte sich mit 80,1 Prozent der Stimmen zum Sieger erklären lassen. Viele Menschen in dem zwischen Russland und Polen gelegenen Land sehen die Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja als die wahre Siegerin der Wahl an. Sie ist ins EU-Land Litauen geflüchtet.

Lukaschenko hatte zuvor Veränderungen und mögliche Reformen in Aussicht gestellt. Rückendeckung bekommt er aus Moskau. Dabei könnten alle Fragen diskutiert werden, die die Bürger beunruhigten, sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow. Lukaschenkos Gegner unterstellen ihm aber, dass er das nicht ernst meine.

Unterdessen kündigte die Demokratiebewegung um die Oppositionelle Maria Kolesnikowa die Gründung der Partei Wmestje (Miteinander) an. Sie solle den Menschen, die Veränderungen wollten, eine Basis geben, sagte Kolesnikowa. Sie arbeitet für den Ex-Bankenchef Viktor Babariko, der bei der Wahl kandidieren wollte. Lukaschenko ließ ihn aber vorher verhaften, das Verfahren gilt als politisch motiviert.

Die neue Partei will sich nach eigenen Angaben für eine Verfassungsänderung einsetzen. Nur mit einer Begrenzung der Amtszeit für den Präsidenten, einer klaren Gewaltenteilung und der Stärkung des Parlaments könne es ein neues Regierungssystem geben, hieß es. Ob die neue Partei überhaupt zugelassen wird, blieb zunächst offen.

Auch Tichanowskaja begrüßte, dass es nun eine neue Partei gebe. „Das ist ein Zeichen für den Wunsch nach Demokratie“, sagte sie. Die Gründung der Partei ist jedoch keine ihrer Initiativen, sondern geht auf Babarikos Teams zurück. Es gibt Punkte, denen Tichanowskaja offen widerspricht. Die Oppositionelle betonte, dass eine Verfassungsreform nicht die wichtigste Aufgabe sei. „Dieses Ziel entspricht nicht der Forderung der Bevölkerung.“

Bei den Protesten seit der Wahl wurden zunächst Tausende Menschen festgenommen. Viele berichteten von einem brutalen Vorgehen in den Gefängnissen. Auch UN-Menschenrechtsexperten werfen den Behörden Folter von Gefangenen vor. Sie hätten Berichte mit 450 dokumentierten Fällen von Folter und Misshandlung erhalten, berichteten sie in Genf. Sie riefen die Behörden am Dienstag auf, dies zu stoppen. Die Verantwortlichen sollten zur Rechenschaft gezogen werden, hieß es.

Die Demonstrationen gehen bereits in die vierte Woche. Die EU erließ Sanktionen gegen Lukaschenko und sein Umfeld. Auch die drei Nachbarländer Estland, Lettland und Litauen hatten zusätzlich noch eigene Strafmaßnahmen verhängt. Als Reaktion will Lukaschenko dagegen vorgehen. „Wir werden versuchen, dieses Problem wirtschaftlich zu lösen“, sagte er. Konkret könnte das Land demnach seine Waren nicht mehr über die baltischen Häfen auf die internationalen Märkte transportieren, sondern über die russischen. Dann könnten auch deutsche Güter nicht mehr so leicht in den Osten gelangen, sagte er.

(özi/dpa)
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