1,5 Millionen Demonstranten Massenproteste gegen die Regierung in der Türkei

Izmir (RPO). Die Massenproteste in der Türkei haben am Sonntag in Izmir einen neuen Höhepunkt erreicht. In der türkischen Hafenstadt gingen am Sonntag nach Angaben aus Militärkreisen rund 1,5 Millionen Menschen für die Trennung zwischen Staat und Kirche auf die Straße. Viele Demonstranten trugen die türkische Flagge sowie Bilder des Republikgründers Kemal Atatürk bei sich.

Massendemo in Izmir
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Foto: AFP

Die Gegner der gemäßigt-islamischen Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ließen sich auch von einem Bombenanschlag auf einen Markt von Izmir nicht abschrecken, bei dem am Vortag ein Händler getötet und 14 weitere Menschen verletzt worden waren.

Die Großdemonstration wurde von einem verschärften Sicherheitsaufgebot begleitet. Rund 3000 Polizisten waren im Einsatz. Schiffe der Küstenwache patrouillierten entlang der Küstengewässer, der Luftverkehr über der drittgrößten Stadt des Landes wurde untersagt. Polizei und Organisatoren rechneten mit bis zu 1,5 Millionen Teilnehmern. Der Nachrichtenkanal Sky Turk schätzte die Zahl der Demonstranten auf eine Million.

Wie schon bei ähnlichen Großdemonstrationen in Ankara, Istanbul und Manisa skandierten die Demonstranten immer wieder den Schlachtruf der Opposition: "Die Türkei ist ein säkularer Staat und wird es auch bleiben". Hunderte Gegner der regierenden islamischen AKP bekundeten von Booten aus ihre Solidarität. Eine Frau sagte, "wir werden die AKP in den Wahlurnen begraben und unseren Kindern eine leuchtende Zukunft geben". An der Kundgebung nahmen auch der Vorsitzende der größten Oppositionspartei CHP, Denis Baykal, sowie führende Vertreter kleinerer Mitte-links-Parteien teil.

Überschattet wurde die Kundgebung von dem Fahrradbombenanschlag am frühen Samstagmorgen auf einen Markt der Stadt. Zu ihm bekannte sich zunächst niemand. Nach Angaben des Gouverneurs stand er jedoch in keinem Zusammenhang mit der Großdemonstration.

Die Krise begann im vergangenen Monat mit dem Versuch der AKP, Außenminister Abdullah Gül zum Staatspräsidenten wählen zu lassen. Die Wahl scheiterte, Erdogan setzte daraufhin um drei Monate vorgezogene Neuwahlen an. Das türkische Parlament beschloss am vergangenen Donnerstag, dass der Staatspräsident künftig vom Volk direkt gewählt werden soll. Ministerpräsident Erdogan verfolgt das Ziel, die erste Direktwahl des Präsidenten zusammen mit der vorgezogenen Parlamentswahl am 22. Juli stattfinden zu lassen.

Meinungsumfragen sehen die AKP immer noch als populärste Partei des Landes. Sie bekennt sich zum Prinzip der Trennung von Staat und Religion und hat eine Reihe radikaler Reformen durchgesetzt, um den Beitritt der Türkei in die EU zu ermöglichen. Ihre Gegner verdächtigen sie jedoch, insgeheim an einer schleichenden Islamisierung des Landes zu arbeiten.

Erstmals seit der Verkündung der Neuwahlen zeigte sich Erdogan am Samstag wieder in der Öffentlichkeit. Bei einem Auftritt vor mindestens 80.000 Anhängern in der osttürkischen Stadt Erzurum warf er seinen Gegnern vor, das Land zum Stillstand gebracht zu haben. "Wenn Gott will, wird das Volk nun die beste Entscheidung treffen." Erdogans Rede wurde immer wieder von Sprechchören unterbrochen. "Die Türkei ist stolz auf dich", skandierten seine Anhänger.

(afp)
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