Wahl in Frankreich 2017 Keine Welle mehr gegen Le Pen

Die Ablehnung des Front National hat am Sonntag nur mehrere tausend Demonstranten in Paris auf die Straße gebracht. Von den Massenprotesten des Jahres 2002 ist Frankreich vor der Stichwahl weit entfernt.

 Aufmarsch der CGT zum 1. Mai in Paris.

Aufmarsch der CGT zum 1. Mai in Paris.

Foto: rtr, SAA/

"Eine Welle, die Nein sagt zu Le Pen", zeigte der Fernsehsender France 2 am 1. Mai 2002 in seinen Abendnachrichten. Mehr als eine Million Menschen hatten damals im ganzen Land gegen Jean-Marie Le Pen demonstriert, der überraschend gegen Jacques Chirac in die Stichwahl um das Präsidentenamt gekommen war. Den traditionellen Kundgebungen der Gewerkschaften am Tag der Arbeit schlossen sich alle an, die ein Zeichen gegen den Nationalismus setzen wollten. "Es herrschte eine festliche Atmosphäre", erinnert sich ein Familienvater, der mit seinen drei Kindern in Paris auf die Straße gegangen war. Mehr als 400.000 Menschen zogen damals vom Platz der Republik zum Platz der Nation. Die Menge war so dicht, dass sich die Demonstranten auf verschiedene Strecken aufteilen mussten.

15 Jahre später steht mit Marine Le Pen wieder eine Kandidatin des Front National (FN) in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl, doch der Protest ist deutlich weniger geworden. Das Votum für Le Pens Gegner Emmanuel Macron ist im Gegensatz zu 2002 keine natürliche Reaktion mehr auf die Bedrohung durch den Rechtspopulismus. "Man stellt sich nicht gegen Marine Le Pen wie man es gegen ihren Vater tat", sagt der Historiker Pascal Blanchard der Zeitung "Libération".

Die Linke ist gespalten wie nie

Wie gespalten vor allem die französische Linke in ihrer Haltung vor der zweiten Runde ist, zeigte sich am Montag. Die Gewerkschaften zogen in getrennten Kundgebungen durch Paris, weil sie sich nicht auf eine gemeinsame Position einigen konnten. Während die gemäßigte Gewerkschaft CFDT klar zum Votum für den ehemaligen Wirtschaftsminister Macron aufrief, sprach sich die kommunistische CGT lediglich gegen den Front National aus. "Weder Faschismus noch Finanz" stand auf einem Spruchband, das Demonstranten im Zug der CGT durch die Straßen trugen.

Die Haltung des "Weder - Noch" ist auch bei vielen Jugendlichen zu finden, die 2002 massiv gegen Le Pen senior protestiert hatten. "Weder Le Pen noch Macron - wir verdienen mehr als das", lautete einer der Slogans, mit dem Pariser Schüler in der vergangenen Woche demonstriert hatten. Der legendäre Song "La Jeunesse emmerde le Front National" (Die Jugend schickt den Front National zum Teufel), mit dem die Jugendlichen 2002 auf die Straße gegangen waren, scheint vergessen zu sein. Statt dessen riefen junge Demonstranten noch am Abend des ersten Wahlgangs dazu auf, am 7. Mai nicht zur Wahl zu gehen oder einen leeren Stimmzettel abzugeben. "Die Schüler kennen die Geschichte des Front National nicht hinreichend. Für sie hat der FN nichts Gefährliches", bemerkt der Meinungsforscher Frédéric Dabi.

Melenchon ist Vorbild für die Jugend

Eine Figur, mit der sich fast ein Drittel der jugendlichen Wähler identifizieren kann, ist der Linksaußen Jean-Luc Mélenchon. 2002 hatte der exzentrische Linkspopulist, der in der ersten Runde rund sieben Millionen Stimmen bekam, noch offen für Chirac geworben. "Zieht Handschuhe an, nehmt Zangen in die Hand oder was immer ihr wollt, aber geht wählen", appellierte Mélenchon damals vor der zweiten Runde. "Das Ergebnis für Le Pen muss so niedrig wie möglich sein." Von einer so klaren Stellungnahme ist der 65-Jährige in diesem Jahr weit entfernt. In einem Videostatement wandte er sich am Freitag sowohl gegen Macron als auch gegen Le Pen. "Die beiden Kandidaten der Stichwahl wollen die Leute nicht vereinen, sondern trennen", bemerkte der Chef der Bewegung "La France Insoumise" (Das aufmüpfige Frankreich), der bereits an die Parlamentswahlen im Juni denkt.

"Es ist nicht hinnehmbar, einen fortschrittlich orientierten Kandidaten und die Chefin einer reaktionären und ausländerfeindlichen Partei auf eine Stufe zu stellen", kritisierte die Zeitung "Le Monde" die Haltung Mélenchons. Der ging am Montag zwar gegen den FN auf die Straße. Im Gegensatz zu 2002 winkte er aber nur stumm in die Menge.

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