Wikileaks-Informant Manning drohen über 100 Jahre Haft

Fort Meade · In fast allen Anklagepunkten wurde Whistleblower Manning für schuldig erklärt. Für mehr als 100 Jahre könnte er damit hinter Gitter kommen. Kleiner Lichtblick: Im schwersten Anklagepunkt kam der Freispruch.

 Nach den Schlussplädoyers wartet Bradley Manning auf das Urteil.

Nach den Schlussplädoyers wartet Bradley Manning auf das Urteil.

Foto: dpa, Pete Marovich

Der mutmaßliche Wikileaks-Informant Bradley Manning ist in 19 von 21 Anklagepunkten für schuldig erklärt, im am schwersten wiegenden Anklagepunkt jedoch überraschend freigesprochen worden. Das US-Militärgericht in Fort Meade erklärte den 25 Jahre alten Obergefreiten am Dienstag im Punkt "Unterstützung des Feindes" (aiding the enemy) für nicht schuldig.

Mit dem Richterspruch vom Dienstag droht Manning mehr als 100 Jahren Gefängnis - laut der Enthüllungsplattform Wikileaks eine Höchststrafe von 136 Jahren. Eine Mindeststrafe für die Anklagepunkte gibt es nicht. Für schuldig befand Richterin Denise Lind den Angeklagten unter anderem wegen Spionage, Geheimnisverrats, Computerbetrugs und Diebstahls. Die Beratungen über das Strafmaß sollen am Mittwoch beginnen, es soll voraussichtlich noch im August verkündet werden.

Die Familie Mannings teilte in einem vom "Guardian" veröffentlichten Schreiben mit: "Brad liebte sein Land und war stolz, dessen Uniform zu tragen." Der Schuldspruch sei enttäuschend, doch es sei erfreulich, dass Manning auch nach Auffassung von Richterin Denise Lind den Feinden der USA niemals habe helfen wollen.

Nathan Fuller, der den Prozess für das Unterstützernetzwerk "Bradley Manning Support Network" beobachtete, zeigte sich überrascht und erleichtert angesichts des Freispruchs im am schwersten wiegenden Anklagepunkt. Trotzdem sei es ungeheuerlich, dass Manning möglicherweise Jahrzehnte im Gefängnis verbringen müsse. Rund 20 Demonstranten protestierten am Mittwoch vor dem Gerichtsgebäude und forderten auf Schildern "Freiheit für Bradley Manning".

Verteidigung und Staatsanwaltschaft hatten vor dem Schuldspruch von Denise Lind in stundenlangen Plädoyers dargelegt, unter welchen Umständen und mit welchen Motiven der Obergefreite die geheimen Dokumente weitergegeben haben soll. Die Staatsanwaltschaft hatte bereits vor dem Prozess darauf verzichtet, bei einem Schuldspruch im Hauptanklagepunkt "Unterstützung des Feindes" für Manning die Todesstrafe zu fordern. Bei einem Schuldspruch in diesem Punkt hätte Manning deshalb lebenslange Haft gedroht.

Manning hatte zuvor gestanden, als im Irak stationierter Soldat 2010 Hunderttausende geheime Dokumente aus Armeedatenbanken an die Enthüllungsplattform Wikileaks weitergereicht zu haben und beteuerte, dabei keine bösen Absichten gehabt zu haben. Spezialeinheiten fanden die Dokumente später auf dem Computer des getöteten Terrorchefs Osama bin Laden, dem Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001.

Das Verfahren in Fort Meade bei Washington ist der erste große Prozess gegen einen sogenannten Whistleblower in den USA und könnte als Präzedenzfall für weitere bekannte Enthüller dienen, darunter Wikileaks-Chef Julian Assange und den von den USA als Geheimnisverräter gejagten Computerspezialisten Edward Snowden. Der Schuldspruch sei auch "ein sehr ernstzunehmender Musterfall über die Weitergabe von Informationen an die Medien", teilte Wikileaks mit.

Der seit zwei Monaten laufende Militärprozess bei Washington fand unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen statt. Bewaffnete Soldaten hatten Journalisten zuletzt durchsucht und streng kontrolliert, ob aus dem laufenden Verfahren berichtet wurde.

(dpa)
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