Regierungskrise in Tschechien spitzt sich zu Machtspiele in der Prager Burg

Prag · Es ist der vorläufige Höhepunkt in der seit Monaten andauernden politischen Krise Tschechiens: Das Parlament hat der Regierung das Vertrauen verweigert. Damit stellen sich die Abgeordneten mehrheitlich vor allem gegen einen, Milos Zeman. Doch der Präsident des Landes wird so schnell wohl nicht klein beigeben. Die politische Krise spitzt sich zu.

Es ist ein Machtspiel allererster Güte, das sich da in Tschechien vor den Augen der Öffentlichkeit abspielt. Seit der konservative Regierungschef Petr Necas wegen einer Korruptions- und Bestechungsaffäre im Juni zurücktreten musste, kämpft das mehrheitlich konservative Parlament gegen einen sich zunehmend in die Politik einmischenden Präsidenten. Denn Milos Zeman, dessen Amt eigentlich repräsentativ ist, übernahm von seinem Sitz, der Prager Burg aus, zu dieser Zeit das Handeln — mit Rückendeckung durch die tschechische Verfassung.

Zeman setzte eine "Expertenregierung" ein, mit der er die Krise im Land überwinden wollte. Eine Variante, die auch schon andere europäische Staaten gewählt haben. Allerdings hatte der Präsident eines dabei nicht berücksichtigt: den Willen des Parlamentes. Denn statt sich bei den Abgeordneten rückzuversichern, setzte er die neue Regierung nach seinem Gutdünken und ohne Absprache mit den Parteien ein. Regierungschef Jiri Rusnok hatte damit die schlechtesten Voraussetzungen überhaupt, etwas im Land zu bewirken.

So kam es, wie es zwangsläufig kommen musste: Eine Vertrauensabstimmung wurde angesetzt, welche die Regierung verlor. Doch das Machtspiel in Tschechien ist damit noch lange nicht zu Ende. Denn Zeman scheint die Verfassung ganz nach seinem Willen ausreizen zu wollen. Schon vor der Abstimmung im Parlament hatte er angekündigt: "Ich versichere, dass ich innerhalb der nächsten Wochen keinen zweiten Regierungsauftrag vergeben werde, selbst wenn man mich auf dem Rad foltert."

"Einfach ein Projekt des Präsidenten"

Dass die Abgeordneten so gegen die von Zeman eingesetzte Regierung rebellieren, hat vor allem mit der Rolle des Präsidenten und weniger mit Rusnoks Team selbst zu tun. Denn Zeman hatte das Machtvakuum im Land genutzt, um seine eigene Position zu stärken. So hatte etwa Ex-Außenminister Karel Schwarzenberg gewarnt, dass es dabei "nicht um das Regierungsprogramm, sondern um die Stärkung der persönlichen Macht des Präsidenten" gehe. Auch 37 Prozent der Tschechen sehen in dem Interimskabinett die "Regierung der Freunde Milos Zemans", ergab eine Umfrage des tschechischen Fernsehens.

"Es war einfach ein Projekt des Präsidenten", sagte auch Ondrej Liska, Chef der Grünen in Tschechien, im Interview mit dem Deutschlandradio. "Diese Regierung wurde von Leuten zusammengestellt, die entweder Freunde oder Sponsoren von der Präsidentenkampagne von Milos Zeman waren." Liska plädiert daher auch dafür, die Rechte des Präsidenten in der Verfassung besser zu definieren und zu beschränken.

Doch das dürfte derzeit das geringste Problem für die Parteien des Landes, insbesondere für die Konservativen sein. Denn nach der verloren gegangenen Vertrauensabstimmung ist der Präsident wieder am Zug. Er kann einen Regierungschef oder erneut Rusnok vorschlagen. Er muss aber auch gar nichts tun und kann so dafür sorgen, dass sein Vertrauter monatelang geschäftsführend im Amt bleibt — es sei denn, es gibt Neuwahlen.

Die Frage nach vorgezogenen Neuwahlen

Die Konservativen allerdings konnten sich bislang nicht zu Neuwahlen durchringen, die einzige Möglichkeit, den tschechischen Präsidenten in die Schranken zu weisen. Ihr Problem: Das Ansehen der Partei hat durch die Korruptionsaffäre rund um den früheren Ministerpräsidenten gelitten, die Umfragen verheißen wenig Gutes. Entsprechend groß ist das Risiko für die Konservativen, ihre Macht zu verlieren. Und so müssen sie sich entscheiden, ob sie sich dem Willen des Präsidenten unterordnen wollen oder eher das Risiko eingehen, ihre Macht zu verlieren.

Vermutlich wird am Ende alles auf Neuwahlen hinauslaufen. Denn eine Regierung ohne Vertrauen des Parlamentes dürfte wohl kaum etwas bewegen in Tschechien. Und der Frust könnte sich schnell auf die Bevölkerung übertragen. Auch Liska ging im Interview mit dem Deutschlandradio davon aus, dass es "mit 99 Prozent" in ein oder zwei Monaten Neuwahlen geben werde. Und zwei Abgeordnete sagten der Nachrichtenagentur Reuters, dass das Repräsentantenhaus bereits kommende Woche über seine Auflösung abstimmen werde.

Am Ende könnte eine Parlamentsauflösung sogar genau das sein, was der tschechische Präsident beabsichtigt hat. Denn der linke Politiker, der schon zu seinem Amtsantritt angekündigt hatte, sich nicht allein aufs Repräsentieren beschränken zu wollen, kann seine Vision eines florierenden Tschechiens kaum mit den Konservativen verwirklichen. Ein Parlament mit einer linken Mehrheit wäre da wohl viel eher in seinem Sinne.

(das)
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