Machtkampf in Venezuela Maduros Gegner Guaidó trotz Haftbefehls wieder im Land

Caracas · Im Exil sollte seine Reise durch Südamerika nicht enden. Am Montag kehrte der selbst ernannte Übergangsstaatschef Juan Guaidó zurück. Trotz eines gegen ihn vorliegenden Haftbefehls. Damit ist eine neue Runde im Kampf um die Macht in Venezuela eingeläutet.

Ungeachtet der Gefahr einer Festnahme traf Guaidó am Flughafen Maiquetía nahe der Hauptstadt Caracas ein, wie im oppositionsnahen venezolanischen Fernsehsender VPI zu sehen war. Zahlreiche Anhänger nahmen den Oppositionsführer in Empfang. „Wir sind wie freie Bürger nach Venezuela eingereist. Niemand sollte das Gegenteil behaupten“, schrieb Guaidó auf Twitter.

Im ganzen Land gingen Menschen am Montag gegen die sozialistische Regierung von Staatschef Nicolás Maduro auf die Straße. „Wir wollen diese Diktatur hinter uns lassen“, sagte der Demonstrant Ángel Jiménez in der Stadt Valencia. „Wir träumen von einer besseren Zukunft.“

Im laufenden Machtkampf ist Guaidós Rückkehr eine Provokation für Maduro. Wegen eines Ermittlungsverfahrens und einer Ausreisesperre hätte der 35-Jährige das Land eigentlich gar nicht verlassen dürfen. Nun könnte er festgenommen werden. „Wir kennen die Risiken“, sagte Guaidó nach seiner Ankunft. „Das hat uns noch nie aufgehalten.“

Für den Fall seiner Verhaftung gab er seinen Anhängern bereits Anweisungen via Twitter: „Wenn das Regime versucht, mich zu verschleppen, sind die weiteren Schritte klar: Demonstrationen, Zusammenarbeit mit unseren internationalen Verbündeten, mit Parlamentariern auf der ganzen Welt.“

Auch die USA bezogen Stellung. „Die sichere Rückkehr von Juan Guaidó nach Venezuela hat für die USA höchste Bedeutung. Jede Art von Bedrohung, Gewalt oder Einschüchterung gegen ihn wird nicht toleriert. Die Welt schaut zu“, schrieb US-Vizepräsident Mike Pence auf Twitter.

Vergangene Woche hatte Maduro seinen Widersacher vor einer Rückkehr gewarnt. „Guaidó kann nicht einfach kommen und gehen; die Justiz hatte ihm das Verlassen des Landes verboten“, sagte er in einem Interview des US-Senders ABC.

In den vergangenen Tagen war Guaidó durch die Region gereist und hatte in Brasilien, Kolumbien, Argentinien, Ecuador und Paraguay um Unterstützung für seine Gegenregierung geworben. Zahlreiche Länder, darunter die USA und Deutschland, haben ihn bereits als rechtmäßigen Übergangsstaatschef anerkannt. Maduro kann sich allerdings noch immer auf die Unterstützung des mächtigen Militärs stützen.

Guaidó hatte sich am 23. Januar zum Interimspräsidenten erklärt und Maduro damit offen herausgefordert. Zuletzt scheiterte sein Versuch, Hilfsgüter von Kolumbien und Brasilien aus nach Venezuela zu bringen. An den Grenzübergängen kam es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Oppositionsanhängern und Sicherheitskräften. Dabei wurden mehrere Menschen getötet und Hunderte verletzt.

Guaidó rief die Soldaten erneut dazu auf, Maduro die Gefolgschaft aufzukündigen und sich den Regierungsgegnern anzuschließen. „Die Streitkräfte sollten ihrer historischen Verantwortung gerecht werden“, forderte der 35-Jährige. „Der Einzige, der vom Krieg spricht, ist Maduro. Es gibt keine Wahl zwischen Krieg und Frieden, denn wir alle wollen Frieden. Unsere Wahl in Venezuela besteht zwischen Diktatur und Demokratie, zwischen Armut und Wohlstand.“

Das ölreichste Land der Welt leidet unter einer schweren Wirtschafts- und Versorgungskrise. Aus Mangel an Devisen kann Venezuela kaum noch Lebensmittel, Medikamente und Dinge des täglichen Bedarfs für die Not leidende Bevölkerung einführen. Viele Menschen hungern, über drei Millionen Venezolaner haben ihre Heimat bereits verlassen.

Ein Ausweg aus der Krise ist nicht abzusehen. Guaidó muss immer weiter an der Eskalationsschraube drehen, um seine Anhänger bei der Stange zu halten. Maduro hingegen versucht wie bereits 2014 und 2017, die Massenproteste einfach auszusitzen.

„Es gibt einen Ausweg, aber dafür müssen beide Seiten einem von einem unabhängigen Vermittler ausgehandelten Kompromiss zustimmen“, heißt es in einer Erklärung des Forschungsinstituts Crisis Group. „Venezuela braucht eine echte Übergangsphase statt eines abrupten Regimewechsels.“

(felt/dpa)
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