Lori Lightfoot Diese Frau schreibt Geschichte

Washington · Chicago hat mit Lori Lightfoot zum ersten Mal eine Schwarze zur Bürgermeisterin gewählt. Eine Frau, die alte Seilschaften überwand und verspricht: „Wir werden aus dem endlosen Teufelskreis der Korruption ausbrechen!“

„Die Bürger“, jubelte Lori Lightfoot, „sehen eine Stadt, in der es egal ist, welche Hautfarbe man hat. In der es egal ist, wie groß man ist. Und wo es egal ist, wen man liebt.“ Lightfoot hat dunkle Haut, sie ist klein gewachsen und lebt in einer lesbischen Beziehung.

In der Nacht zum Mittwoch hat sie Geschichte geschrieben – für Chicago und die Vereinigten Staaten. Nie zuvor haben die Bürger der drittgrößten US-Metropole eine schwarze Frau ins Chefzimmer ihres Rathauses gewählt. Schwarze Bürgermeister, die gab zwar schon. Der erste war Harold Washington, dessen Sieg 1983 eine Aufbruchsstimmung erzeugte, die beispielsweise einen gewissen Barack Obama motivierte, als Sozialarbeiter in die Metropole am Michigansee zu ziehen. Lightfoot aber lässt einen doppelten Paukenschlag dröhnen. Sie ist nicht nur die erste Afroamerikanerin an der Verwaltungsspitze Chicagos. Sie ist auch die erste offen homosexuelle Politikerin auf diesem Posten.

Die Stichwahl gewann sie mit 74 Prozent der abgegebenen Stimmen, womit sie ihre Konkurrentin, ebenfalls eine Afroamerikanerin, förmlich deklassierte. Dabei schien sie nahezu chancenlos, als sie vor Monaten ihren Hut in den Ring warf: eine Seiteneinsteigerin in einer Stadt, deren Seilschaften Seiteneinsteiger nur allzu oft raffiniert auszubremsen wussten.

Schließlich ging es um ein Amt, das eine Familie jahrzehntelang für sich gepachtet zu haben schien. Richard J. Daley war von 1955 bis 1976 der Mayor, sein Sohn Richard M. Daley von 1989 bis 2011. Auf die Familiendynastie folgte Rahm Emanuel, der als Stabschef Obamas im Weißen Haus gearbeitet und natürlich vom Beziehungsgeflecht seiner Partei, der Demokraten, profitiert hatte. Lightfoot dagegen, obwohl selbst Demokratin, trat an als Rebellin im Kampf gegen das Establishment, als kompromisslose Reformerin, die mit eisernem Besen zu fegen gedenkt. Sie wolle dafür sorgen, dass die „kaputte Maschine“ des kommunalen Verwaltungsapparats auf dem Schrottplatz lande. Das versprach sie jedenfalls. „Wir können und werden aus dem endlosen Teufelskreis der Korruption ausbrechen“, rief sie ihren Anhängern im Jubel der Wahlnacht zu. „Wir werden es Politikern nie wieder gestatten, von ihren Ämtern zu profitieren.“

Die Korruption, von der die 56-Jährige sprach, sie ließ erst vor Kurzem den dienstältesten Ratsherrn Chicagos, Edward Burke, in Schimpf und Schande abtreten. Als die Fast-Food-Kette Burger King um grünes Licht für die Erweiterung eines Imbissrestaurants im Wahlkreis Burkes bat, knüpfte dieser seine Zustimmung an eine Bedingung. Burger King, verlangte er, müsse im Gegenzug seiner Anwaltskanzlei Aufträge geben. Im November durchsuchte das FBI die Amtsräume des Veteranen, der nun wegen Erpressung mit bis zu 20 Jahren Haft rechnen muss. Im Duell um den Bürgermeisterposten hatte sich Burke hinter Toni Preckwinkle gestellt, im Finale die Kontrahentin Lightfoots. Damit ordneten etliche Wähler auch Preckwinkle, ob zu Recht oder Unrecht, dem Filz ihrer Stadt zu.

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Foto: picture-alliance / dpa/Kurt Rohwedder

Die Juristin Lightfoot wiederum machte sich einen Namen, indem sie eine Taskforce leitete, die brutale Polizeiübergriffe gegen – zumeist junge – Schwarze untersuchte. In Chicago, dessen Bevölkerung zu etwa einem Drittel aus Afroamerikanern besteht, rangiert das Thema weit oben auf der Agenda, gleichauf mit den Bandenkriegen zwischen Drogengangs, die in den Problembezirken im Süden und Westen fast täglich neue Opfer fordern. Vorausgegangen waren, im Oktober 2014, tödliche Schüsse eines weißen Beamten auf Laquan McDonald, einen schwarzen Teenager. Als die Polizei ein monatelang unter Verschluss gehaltenes Video freigab, das die Tat dokumentierte, führte es nach heftigen Protesten zur Gründung der Taskforce. Lightfoot hat nicht nur angekündigt, das Police Department gründlich umzukrempeln. Sie will auch mehr Geld in Stadtviertel schleusen, die im Schatten der Glitzerfassaden von Downtown liegen.

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