Lindsay Hoyle ruft jetzt „Oooorder“ Das ist der Nachfolger von John Bercow im Unterhaus

London · Es sind große Fußstapfen, in die Lindsay Hoyle tritt. Ex-Parlamentspräsident John Bercow hatte das vergangene Jahrzehnt nicht nur mit seinen markanten Order-Rufen geprägt. Hoyle dürfte jedoch versuchen, weniger anzuecken als sein Vorgänger.

 Nach der vierten Wahlrunde stand er als Sieger fest: Lindsay Hoyle.

Nach der vierten Wahlrunde stand er als Sieger fest: Lindsay Hoyle.

Foto: dpa/Stefan Rousseau

Lindsay Hoyle ist am Montag zum neuen Präsidenten des britischen Unterhauses gewählt worden. Der Labour-Abgeordnete setzte sich am Abend im vierten Wahlgang mit 325 Stimmen gegen seinen Parteifreund Chris Bryant durch. „Ich werde neutral sein, ich werde transparent sein“, gelobte der 62 Jahre alte Politiker.

Der neue „Speaker of the House of Commons“ wurde von seinen Kollegen zu seinem Stuhl gezerrt - eine Tradition aus früheren Jahrhunderten, als der Unterhauspräsident nicht selten in der Auseinandersetzung mit der Krone auf dem Schafott landete. Hoyle ließ sich willig zu seinem neuen Platz geleiten.

Das Parlament werde sich zum Besseren verändern, kündigte der Sozialdemokrat an. Er werde wieder dafür sorgen, dass Respekt und Toleranz gegenüber jedem gezeigt werde, der im Parlament arbeite - ein wenig versteckter Seitenhieb an seinen Vorgänger John Bercow, der immer wieder wegen seiner ruppigen Auftretens in die Kritik geraten war.

Bercow hatte vergangene Woche nach zehn Jahren das Amt abgegeben, nur kurz bevor das Parlament für die vorgezogene Wahl am 12. Dezember aufgelöst wird. Dadurch wurde die Auswahl des neuen Speakers ungewöhnlicherweise am Ende statt zu Beginn einer Legislaturperiode getroffen.

Als einer der ersten gratulierte Premierminister Boris Johnson dem neu gewählten Unterhauspräsidenten. „Ich stelle fest, dass Sie sich gegen ein extrem starkes Bewerberfeld durchgesetzt haben“, so Johnson.

Der Parlamentspräsident hat eine zentrale Rolle im Unterhaus inne. Er erteilt und entzieht Abgeordneten das Wort, entscheidet über die Zulässigkeit von Anträgen und vertritt die Kammer unter anderem gegenüber der Königin und dem Oberhaus (House of Lords).

Bercow war der 157. „Speaker“ und seit 2009 im Amt. Er galt als großer Reformer, der den Hinterbänklern viel öfter das Wort erteilte als bis dahin üblich. Auch die Zahl der Dringlichkeitsdebatten nahm erheblich zu unter Bercow - Regierungsmitglieder mussten viel öfter Rede und Antwort stehen, als ihnen lieb war. Alte Zöpfe schnitt er ab. Beispielsweise verzichtete er auf das traditionelle Gewand des Speakers. Stattdessen trug er Anzug, oft schrille Krawatten und eine schlichte Robe. Perücken waren bereits unter seinen Vorgängern aus der Mode gekommen.

Doch er eckte immer wieder auch an. Im Streit über den geplanten EU-Austritt des Landes kritisierten ihn vor allem Brexit-Hardliner als parteiisch. Mehrmals setzte sich der 56-Jährige über Konventionen hinweg, damit sich die Abgeordneten im Streit mit der Regierung durchsetzen konnten. Der ehemalige Konservative, als Speaker hatte er seine Parteizugehörigkeit abgelegt, rechtfertigte das mit einem immer stärker autoritären Regierungsstil. Viele Parlamentarier lobten, er habe die Rechte des Unterhauses gegenüber der Regierung gestärkt.

Bereits in der Nacht zum Mittwoch soll das Parlament aufgelöst werden für die anstehende Neuwahl am 12. Dezember. Dann muss auch der „Speaker“ im Amt bestätigt werden; nach den Parlamentswahlen 2015 und 2017 geschah dies jeweils ohne Wahl.

(lukra/dpa)
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