Irans Präsident Ruhani schlägt neue Töne an Liebesgrüße aus Teheran

Ahmadinedschad hetzte gegen den Satan Amerika und leugnete den Holocaust. Umso erstaunlicher klingen nun die sanften Töne seines Nachfolgers Hassan Ruhani. Symbolisch für die Charme-Offensive aus Teheran stehen die Bilder der Freilassung von politischen Gefangenen wie Nasrin Sotudeh (Foto) und ihren überglücklichen Familien. Der Westen reibt sich die Augen. Und traut dem Braten nicht.

 Präsident Hassan Ruhani schürt die Hoffnungen auf Wandel im Iran.

Präsident Hassan Ruhani schürt die Hoffnungen auf Wandel im Iran.

Foto: afp, -

Diplomaten sprechen von einer gewaltigen PR-Offensive. Irans neuer Präsident Hassan Ruhanis schlägt Töne an, wie sie seit Jahren nicht aus dem islamischen Gottesstaat zu hören waren. Am Dienstag spricht er erstmals in der UN-Vollversammlung.

Für seinen Vorgänger Ahmadinedschad war dieser Termin stets eine Bühne für Hetzreden gegen Israel. Bei seinem Nachfolger könnte sich ein ganz neuer Iran zeigen. Es gibt zahlreiche Indizien dafür, dass das Land seine Isolation beenden und den Dialog mit seinen Kritikern aufnehmen will.

Schon zahlreiche Signale hat Hassan Ruhani an die Welt ausgesandt, die auf einen echten Wandel hoffen lassen. In fast allen Fällen werden sie begleitet von Zweifeln an ihrer Aufrichtigkeit. Die versöhnlichen Angebote weisen an entscheidenden Stellen noch Lücken auf.

Freilassung Am Mittwoch entließ der Iran 16 politische Gefangene überraschend in die Freiheit. Die meisten davon waren wegen ihrer offenen Kritik am Regime festgenommen worden. Prominenteste Dissidentin ist die Anwältin Nasrin Sotudeh. Sie hatte nicht nur Menschenrechts-Aktivisten vor Gericht verteidigt, sondern auch offen gegen Ahmadinedschad demonstriert und ihm Wahlfälschung vorgeworfen.

Die Bilder, auf denen zu sehen ist, wie sie heimkehrt in den Schoß ihrer überglücklichen Familie, gingen um die Welt. Politisch ist die Freilassung ein starkes Signal: Seht her, unter Ruhani haben Menschenrechte wieder ihre Gültigkeit. "Wir wollen dass die Menschen - in ihrem Privatleben - völlig frei sind", sagt Ruhani. Derzeit haben die Iraner nur einen zensierten Zugang zum Internet und zu sozialen Netzen wie Facebook und Twitter.

Syrien-Vermittler In einem unter seinem Namen verfassten Beitrag für die Washington Post bot Ruhani an, im syrischen Bürgerkrieg einen Dialog zwischen Machthaber Baschar al-Assad und der Opposition zu vermitteln. Die Bundesregierung begrüßte die Initiative."Wer immer auf dieses Regime einwirken kann, ist uns willkommen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Andere haben massive Zweifel. Der Iran war bisher einer der wichtigsten Partner des Assad-Regimes und unterstützte ihn mit Waffen und Logistik. Bei allem Lob für Ruhani forderte auch Merkel: Den Worten müssten jetzt aber auch Taten folgen.

Absage an Atomwaffen In einem spektakulären Interview mit dem Sender NBC beteuerte Ruhani, sein Land werde niemals den Besitz von Atombomben anstreben. Das Atomprogramm diene nur friedlichen Zwecken. Er sei vollständig befugt, ein Atomabkommen auszuhandeln. Der Westen verdächtigt den Iran seit Jahren, ein militärisches Atomprogramm zu unterhalten. Nun spricht US-Außenminister von einer Chance für die Diplomatie. Die jüngsten Äußerungen Ruhanis seien "sehr positiv".

Zugleich mahnte Kerry er, dass die neuen Töne der iranischen Führung noch auf die Probe gestellt werden müssten. Und ist mit seinen Zweifeln nicht allein. Insbesondere Israel traut den Ansagen nicht. Regierungschef Benjamin Netanjahu wirft Ruhani vor, er wolle die Weltöffentlichkeit täuschen. "Man darf sich nicht von den betrügerischen Worten des iranischen Präsidenten hinters Licht führen lassen. Er verdreht alles, damit sich die Zentrifugen (für die Urananreicherung) weiter drehen können", so Netanjahu.

Dialog mit dem Satan Die USA behandelte der Iran überwiegend wie eine Ausgeburt des Bösen. Diplomatische Vertreter Teherans verweigerten konsequent, sich mit den Amerikanern an einen Tisch zu setzen. Nun wird sogar offiziell bestätigt: Es gibt Brief-Kontakt zu Präsident Barack Obama. Der Tonfall sei "positiv und konstruktiv", ließ Ruhani wissen und deutet dies als mögliche "kleine Schritte für eine sehr wichtige Zukunft." Der Briefwechsel sei von Obama ausgegangen, der ihm zum Wahlsieg gratuliert habe. Selbst ein Treffen am Rande der Generalversammlung in der kommenden Woche gilt inzwischen als möglich.

Holocaust und Israel Im September brach Ruhani bewusst ein Tabu. Über Twitter gratulierte er ausdrücklich allen Juden weltweit zum Neujahrsfest Rosch Haschana. Das konservative Establishment knirschte mit den Zähnen, ließ ihn aber gewähren. Ruhani wollte damit offensichtlich klarstellen, dass er zwar ein Kritiker der israelischen Regierung ist, aber kein Antisemit wie Ahmadinedschad. Als er im Interview mit NBC gefragt wurde, ob er denn wie sein Vorgänger Ahmadinedschad den Holocaust für einen Mythos halte, wich Ruhani aus: "Ich bin kein Historiker, ich bin Politiker."

Doch bei allen Unsicherheiten sind die Anzeichen, die für einen Wandel sprechen, in der Summe nicht zu übersehen. Ruhani hat sich allem Anschein nach vorgenommen, Bewegung in die festgefahrenen Beziehungen zu bringen. Dabei handelt er auch als Getriebener. Die wirtschaftlichen Sanktionen machen dem Iran schwer zu schaffen, die Wirtschaft liegt weitgehend am Boden, in der Bevölkerung rumort es.

Eine Chance hat er verdient

Ruhani braucht nun westliche Partner, die ihn beim Wort nehmen. Einen Vertrauensvorschuss hat er sich jedenfalls erarbeitet. Zwei Dinge könnten sich bei Verhandlungen schnell herausstellen: zum einen, ob Ruhani es ehrlich meint und zum anderen, ob er auch innerhalb des Irans die politische Kraft hat, einen Wandel durchzusetzen.

Am Dienstag soll Ruhani seine Rede vor der UN-Vollversammlung halten. Die Erwartungen sind groß.

(pst)
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