Schreckensfund in Tripolis Libyer finden neben Gefängnis ein Massengrab

Tripolis (RPO). Die Aufarbeitung der Herrschaft Gaddafis befördert einen neuen Schreckensfund zu Tage: Libysche Behörden machten in der Nähe des berüchtigten Gefängnisses Abu Salim einen grauenhaften Fund. In einem Massengrab entdeckten sie die sterblichen Überreste von weit über 1000 Häftlingen. Derweil tobt der Kampf um Sirte heftiger denn je.

 Ein Kämpfer der libyschen Rebellen. Der Krieg ist noch längst nicht beendet.

Ein Kämpfer der libyschen Rebellen. Der Krieg ist noch längst nicht beendet.

Foto: AP, AP

Das teilte am Sonntag der Leiter des Ausschusses der neuen Regierung zur Suche nach Opfern der Herrschaft Muammar Gaddafis, Ibrahim Abu Sahima, mit. Sahima sagte, der Übergangsrat werde um internationale Hilfe bei der Identifizierung der Toten bitten.

In der libyschen Hauptstadt Tripolis ist ein Massengrab mit den Überresten von mehr als 1000 Opfern entdeckt worden. Die genau Zahl ist unklar. Agenturberichte melden zwischen 1200 und 1700 Leichen. Bei den Toten handelte es sich um Opfer des Massakers im berüchtigten Gefängnis von Abu Salim im Jahr 1996, wie der Militärrat der neuen libyschen Führung am Sonntag mitteilte. "Wir haben den Ort entdeckt, wo all diese Märtyrer begraben wurden", sagte der Sprecher des Militärrates, Chaled Scherif. Es gebe Beweise dafür, dass sie Opfer eines Verbrechens wurden.

Mehrere Menschenrechtsorganisationen hatten in der Vergangenheit das Massaker im Gefängnis von Abu Salim angeprangert, in dem vor allem politische Gegner des Machthabers Muammar el Gaddafi inhaftiert waren. Mehrere hundert Häftlinge wurden demnach damals getötet, nachdem es eine Gefängnismeuterei gegeben hatte.

Militärratssprecher Scherif sagte, ein Expertenteam sei mit der Identifizierung der Opfer beauftragt worden, doch werde dies Zeit in Anspruch nehmen. Die Leichen seien mit Säure übergossen worden, "um jeden Beweis für das Massaker zu vernichten". Ein Mitglied des Teams, Salim el Fardschani, rief internationale Organisationen auf, bei der Identifizierung der mehr als 1700 Opfer zu helfen.

Das Massaker von Abu Salim hat indirekt mit dem Beginn des Volksaufstandes gegen Gaddafi im Februar zu tun. Die ersten Aufrufe zu Protestkundgebungen in der Hafenstadt Bengasi kamen von Angehörigen der Opfer, die sich gegen die Inhaftierung eines ihrer Anwälte wehren wollten.

Derweil dauert der Kampf um Gaddafis Heimatstadt Sirte an. Nato-Flugzeuge griffen am Sonntag den symbolträchtigen Ort an, um den Kämpfern der Übergangsregierung NTC am Boden den Weg zu ebnen. Sie trafen dort auf so heftigen Widerstand der Gaddafi-Anhänger, dass sie sich am Samstag aus Sirte wieder zurückziehen mussten.

Die Gefolgsleute des gestürzten Herrschers bewiesen auch an der Grenze zu Algerien ihre Schlagkraft und griffen die Wüstenoase Ghadames an. Nach Darstellung der Übergangsregierung wurden die Angreifer aber zurückgeschlagen.

"Die Nato hat heute viele Bomben abgeworfen", beschrieb ein Kämpfer das Ausmaß der Luftangriffe vom Sonntag. Ein Sprecher der Übergangsregierung erklärte, ihre Kräfte hätten Sirte am Samstag von zwei Seiten angegriffen. "Das heißt nicht, dass Sirte schon befreit ist, ist aber ein Zeichen, dass Sirte bald frei sein wird." Die Einnahme der Stadt würde den Ruf der Übergangsregierung festigen und zugleich einen schweren Rückschlag für Gaddafi bedeuten.

NTC-Kämpfer warfen Gaddafis Gefolgsleuten vor, die Flucht von Einwohnern Sirtes zu verhindern. Die Menschen würden als menschliche Schutzschilde missbraucht.

Am Sonntag eröffnete derweil die deutsche Botschaft in Tripolis wieder - fast sieben Monate nach ihrer Schließung. Nach dem Eintreffen des neuen deutschen Botschafters Rainer Eberle sei die diplomatische Vertretung der Bundesrepublik wieder arbeitsfähig, teilte das Auswärtige Amt in Berlin mit.

Ihre volle Funktionsfähigkeit solle Schritt für Schritt wieder hergestellt werden. Eberle führte den Angaben zufolge bereits Gespräche im libyschen Außenministerium, das nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar el Gaddafi derzeit dem Nationalen Übergangsrat untersteht.

Angesichts der monatelangen gewaltsamen Auseinandersetzungen von Einheiten Gaddafis mit den libyschen Aufständischen war die Botschaft am 3. März aus Sicherheitsgründen geschlossen worden. Mitte Mai richtete die Bundesregierung ein Verbindungsbüro in der Rebellenhochburg Bengasi ein. Aufgabe der Botschaft in Tripolis sei nun, "beim Ausbau der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen" der Bundesrepublik zur neuen libyschen Führung mitzuwirken, erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amts.

(RTR/AFP)
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