Zwischenfälle im Osten des Landes Libyen jubelt über seine erste freie Wahl

Tripolis · Libyen hat die ersten freien Wahlen seit Gaddafi abgegehalten. Im Land herrscht überwiegend Jubelstimmung. Im Osten des Landes kam es jedoch zu Zwischenfällen. Demonstranten stürmten Wahllokale und verbrannten Stimmzettel.

Libyen feiert Festnahme von Gaddafi-Sohn
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Vor allem in der Hauptstadt Tripolis wurde der Wahltag zum Volksfest. Mehr als eine Stunde vor Öffnung der Wahllokale bildeten sich bereits lange Schlangen. Viele Libyer machten vor dem Urnengang das Siegeszeichen, Autofahrer fuhren hupend die Straßen entlang, andere riefen "Allahu Akbar" ("Gott ist größer"). Einige Wahlberechtigte hatten sich die libysche Flagge um die Schultern gelegt. Süßigkeiten wurden verteilt und Frauen umarmten sich oder stimmten Lieder an, während sie warteten.

Die Freude wurde allerdings von den Störaktionen getrübt, die einmal mehr die Spannungen zwischen dem Osten und Westen des ölreichen Landes aufzeigten, das jahrzehntelang von Gaddafi mit harter Hand regiert worden war. In mehreren Städten im Osten stürmten Demonstranten Wahllokale und verbrannten Wahlzettel.

Toter bei Gefechten im Osten

In Adschdabija kam es auch zu Gefechten zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, bei denen nach Angaben des Leiters der Wahlkommission, Nuri al Abar, ein Mensch getötet und zwei verletzt wurden. Außerdem seien in der Stadt die Wahlurnen in 14 der 19 Wahllokale in Brand gesteckt worden, sagte ein örtlicher ehemaliger Rebellenkommandeur.

Bei einer Pressekonferenz am Samstag sagte al Abar, dass 94 Prozent der Wahllokale landesweit geöffnet seien. Er räumte aber ein, dass wegen "Sicherheitsbedingungen" in einigen Wahllokalen Wahlzettel nicht angekommen oder vernichtet worden seien.

Knapp 2,9 Millionen Menschen hatten sich als Wähler registrieren lassen, um über die 200 Sitze im Übergangsparlament zu entscheiden.
Die Abgeordneten haben die Aufgabe eine neue vorübergehende Regierung zu wählen. Um die Sicherheit der Abstimmung zu gewährleisten, war ein hohes Aufgebot von Polizisten und Soldaten im Einsatz.

Nach dem Tod eines Wahlhelfers am Freitag versprach Interims-Ministerpräsident Abdurrahim el Keib, die Regierung werde alles daran setzen, dass die Abstimmung friedlich verlaufe. Bis zur Schließung der Wahllokale am Samstagabend blieb das zumindest im Westen des Landes der Fall.

"Ein wunderbares Gefühl"

"Schau mal die Schlangen an. Alle sind aus freien Stücken hier.
Ich wusste, dass der Tag kommen und Gaddafi nicht für ewig hier sein würde", sagte ein 50-jähriger Beamter. Gaddafi habe einen Polizeistaat hinterlassen.

"Ich habe heute ein merkwürdiges, aber wunderbares Gefühl", sagte ein Zahnarzt. "Endlich sind wir frei nach Jahren der Angst. Wir wussten, der Tag wird kommen, aber wir hatten Angst, es könnte noch lange dauern."

Ein Wahlbeobachter erklärte, die Beteiligung sei enorm. Alle würden kooperieren. "Sie wollen, dass der Tag ein Erfolg ist, und das wird er", sagte Mohammed Shady. El Keib erklärte nach seiner Stimmabgabe in einem Wahllokal in Tripolis: "Wir feiern heute, und wir wollen, dass die ganze Welt mit uns feiert."

Abstimmung im Osten von Gewaltakten begleitet

Im ölreichen Osten, wo es eine starke Autonomiebewegung gibt, gab es indes bereits vor der Wahl Boykottaufrufe und blutige Zwischenfälle. Am Freitag war ein Hubschrauber mit Wahlunterlagen abgeschossen und dabei ein Mitarbeiter der Wahlkommission getötet worden. Der Hubschrauber kam nach Angaben des Übergangsrates unter Beschuss, als er den Flughafen Benina außerhalb der Stadt Bengasi überflog.

Im Osten des Landes herrscht Unmut über das Wahlgesetz, das dem bevölkerungsreicheren Westen mehr Abgeordnete zugesteht. Zuletzt hatten frühere Rebellen auch drei Ölraffinerien abgeschaltet, um den Übergangsrat zu zwingen, die Wahl abzusagen.

3.700 Kandidaten, darunter 585 Frauen, bewerben sich um 200 Mandate. Tripolis und der Westen haben 100 Sitze, Bengasi und der Osten 60, der Südwesten 40. Die wichtigsten Bewerber bei der Wahl sind die islamistische Muslimbruderschaft, die aus Salafisten und anderen Islamisten bestehende Al-Watan, die säkulär ausgerichtete Allianz der Nationalen Kräfte und die Nationale Front, die unter Gaddafi in der Opposition war. Ergebnisse der Wahl werden in der kommenden Woche erwartet.

Das neue Übergangsparlament ernennt innerhalb von 30 Tagen das Kabinett. Danach folgen eine Wahl zur Verfassunggebenden Versammlung und ein Referendum über eine neue Verfassung. Eine Wahl zu einem neuen Parlament ist für 2013 geplant.

(APD)
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