Flüchtlingskrise Libyen fordert von der EU bewaffnete Boote zum Küstenschutz

Brüssel/Berlin · Libyen ist für Flüchtlinge aus Afrika das Drehkreuz nach Europa. Die EU will die Menschen aufhalten und deshalb der libyschen Regierung beim Küstenschutz helfen. Doch die braucht erst einmal Ausrüstung.

 Flüchtlinge verlassen auf einem überfüllten Schlauchboot die libysche Küste (Archivfoto).

Flüchtlinge verlassen auf einem überfüllten Schlauchboot die libysche Küste (Archivfoto).

Foto: dpa, PW lof tba

Die libyschen Behörden fordern von der EU umfangreiches Material für den Küstenschutz. Unter anderem erbittet die Regierung des nordafrikanischen Bürgerkriegslandes 130 teils bewaffnete Boote von der Europäischen Union.

Eine Liste mit allen Forderungen soll vor einigen Wochen bei der EU-Kommission eingegangen sein. Diplomaten bestätigten der Deutschen Presse-Agentur die Existenz der Liste. Der Bedarf solle nun geprüft und im Kreise der EU-Staaten beraten werden, hieß es. Inwieweit die Wünsche erfüllt werden, müsse noch diskutiert werden. Das vom Zerfall bedrohte Land gilt als wichtigstes Drehkreuz für afrikanische Migranten auf dem Weg nach Europa.

Nach Angaben der europäischen Grenzschutzagentur Frontex sind dieses Jahr von Januar bis Mitte April schon fast 28.000 Menschen von Libyen aus nach Italien gelangt. "Das ist ein Anstieg um 30 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum", sagte Frontex-Chef Fabrice Leggeri der "Passauer Neuen Presse". Die Schleuser nutzten die chaotische Lage in Libyen gnadenlos aus. "Sie setzen inzwischen im Durchschnitt 170 Menschen in ein Boot - oft ohne Proviant und ausreichend Treibstoff. Vor zwei Jahren waren es im Schnitt 100 Migranten."

Die EU unterstützt die libyschen Behörden beim Aufbau einer Küstenwache, die gegen Schleuser vorgehen und Flüchtlingsboote mit Ziel Europa aufhalten soll. 93 libysche Auszubildende haben nach EU-Angaben inzwischen erste Lehrgänge abgeschlossen, darunter drei Besatzungen für Patrouillenboote.

Die von Libyen erbetenen Boote sind bis zu 100 Meter lang. Fünf mit Radar und Maschinengewehren ausgestattete "Offshore-Patrouillen-Boote" wiegen mehr als 1000 Tonnen. 80 der 130 erhofften Fahrzeuge sind Schlauchboote. Neben Funkgeräten und Nachtsichtbrillen schlägt Libyen offenbar außerdem die Lieferung von 20 Tauchanzügen und 200 schusssicheren Westen vor.

2016 kamen mehr als 180.000 Menschen von Nordafrika nach Italien. Beinahe 90 Prozent von ihnen brachen von Libyen aus auf. Die EU hat zwar großes Interesse, mit Libyen zusammenzuarbeiten, gleichzeitig gibt es aber Befürchtungen, dass Lieferungen an die Behörden in falsche Hände geraten könnten. Das Bürgerkriegsland versinkt seit 2011 im Chaos. Die von den Vereinten Nationen anerkannte Einheitsregierung beherrscht nur einen kleinen Teil des Landes.

(kess/dpa)
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