Tunesier flüchten auf italienische Insel Letzte Hoffnung Lampedusa

Tunis/Rom (RPO). Sie sehen in ihrem Land keine Zukunft und hoffen auf ein besseres Leben in Europa. Tausende Flüchtlinge kehren Tunesien den Rücken, um über das Mittelmeer auf die italienische Insel Lampedusa zu gelangen. Und die kann den Ansturm kaum noch bewältigen. Und so wird das kleine Eiland zum Mittelpunkt europäischer Flüchtlingspolitik - wieder einmal.

2011: Flüchtlingsstrom auf Lampedusa
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5000 tunesische Flüchtlinge in fünf Tagen - einen solch massiven Ansturm hat Lampedusa nie zuvor erlebt. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2008 trafen mehr als 30.000 Flüchtlinge auf der Insel ein, was damals als immense Zahl angesehen wurde. Der Umbruch in Tunesien und die unsichere Lage, in welche Richtung sich die Politik entwickeln wird, sorgt für Verunsicherung in der Bevölkerung. Arbeitslosigkeit, Gewalt - all das sind Gründe für die Tunesier, ihre Heimat zu verlassen.

Und so steigen sie in teils abenteuerlich zusammengezimmerte Boote, um nach Lampedusa zu gelangen. Jene Insel, die nur etwas mehr als 100 Kilometer von der tunesischen Küste entfernt liegt und als das "Tor zu Europa" gilt. Hierher hat es in den vergangenen Jahren immer wieder Flüchtlinge aus Afrika getrieben, insbesondere aus Libyen und eben Tunesien.

Restriktive Abschiebepolitik

Genau das aber stößt der italienischen Regierung massiv auf. Im aktuellen Fall hatte Innenminister Roberto Maroni vorgeschlagen, italienische Polizisten nach Tunesien zu schicken, um den Flüchtlingsstrom einzudämmen - was die Regierung in Tunis ablehnte.

Doch es ist nicht das erste Mal, dass sich Italien gegen die Flüchtlingsströme auf Lampedusa wehrt. Massive Kritik brachte der Regierung in Rom ihre restriktive Abschiebepolitik ein. Die Flüchtlingslager wurden geschlossen - und waren es bis vor Kurzem - um, wie es in Rom hieß, Flüchtlinge nicht noch zu animieren, auf die Insel zu kommen.

Und im Januar vor zwei Jahren geriet das gerade einmal 20 Quadratkilometer große Eiland in die Schlagzeilen, als die Flüchtlinge in ihren Lagern aufbegehrten. Die Insassen hatten die Zäune des Auffanglagers überwunden, um im Stadtzentrum gegen die beschleunigten Abschiebeverfahren zu demonstrieren. Schließlich kam es sogar zu Hungerstreiks und einer Revolte, bei der das Hauptgebäude des Lagers in Brand gesteckt wurde.

Ministerpräsident Silvio Berlusconi tat dies alles mit Äußerungen ab, die - wieder einmal - für Empörung sorgten. So hatte er im Januar 2009 während der Proteste gesagt, die Zustände in dem Lager seien sehr gut. Den Insassen stehe es frei, "jederzeit ein Bier trinken zu gehen", dies sei schließlich "kein Konzentrationslager". Einen Monat später aber widersprach er sich selbst und erklärte, es sei menschlicher, die Flüchtlinge auf dem Mittelmeer abzufangen, als dass sie in einem Lager landeten, das "einem Konzentrationslager sehr ähnlich ist".

Tausende sterben bei Flucht

Auch wenn die italienische Asylpolitik gerade in Bezug auf Lampedusa heftig von Menschenrechtsorganisationen kritisiert wird, Tatsache bleibt, dass der derzeitige Ansturm auf die Insel enorm ist. Für die Tunesier ist die Not so groß, dass sie auch ihren Tod in Kauf nehmen, um nach Europa zu kommen. 2008 etwa kamen mindestens 1000 Menschen bei der Flucht über das Meer ums Leben.

Und Italien weiß nicht, wie es mit den Flüchtlingsströmen zurechtkommen soll. Die Regierung rief bereits den humanitären Notstand aus. Und der Hilferuf richtet sich auch an die europäische Union, die nicht nur im Fall Lampedusas handeln muss.

Auch Griechenland hatte vor wenigen Wochen Hilfe angefordert, weil sie mit der massiv ansteigenden Zahl türkischer Flüchtlinge nicht fertig wird. Und dann gibt es noch die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla in Marokko, die ähnlich wie Lampedusa für afrikanische Flüchtlinge die letzte Hoffnung sind.

Eine schnelle Lösung wird es allerdings nicht geben, auch wenn die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton das Thema bei ihrem Tunesien-Besuch ansprechen will. Und die Behörden rechnen angesichts der ruhigen See in den nächsten Tagen noch mit weiteren Flüchtlingen.

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