Italiens neuer Regierungschef Letta besucht schon am Dienstag Kanzlerin Merkel

Rom/Berlin (Italien) · Seine erste Auslandsreise als neuer italienischer Regierungschef führt Enrico Letta nach Berlin. Schon am Dienstagnachmittag wird er zu einem ersten Meinungsaustausch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Berliner Kanzleramt erwartet. Am Abend überstand der 46-Jährige die Vertrauensfrage.

Enrico Letta - Italiens neuer Ministerpräsident
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Die Europäische Union befindet sich nach Lettas Worten in einer "Legitimitätskrise". Die EU müsse Anstrengungen unternehmen, um zu einem "Motor nachhaltigen Wachstums zu werden", sagte Letta am Montag in seiner ersten Regierungserklärung.

Italien leide unter der einseitigen Ausrichtung der Wirtschaftspolitik auf das Sparen, sagte Letta vor den Abgeordneten in Rom. "Italien liegt durch den Irrtum der reinen Austerität im Sterben." Eine Politik "mit der Ausrichtung auf den Aufschwung" könne "nicht länger warten". Seine Regierung werde es sich "fortwährend" zur Aufgabe machen, den "Steuerdruck zu verringern", ohne neue Schulden zu machen.

Das Bundeskanzleramt teilte am Montag kurzfristig mit, dass Letta am Dienstag um 17.30 Uhr von der Kanzlerin empfangen werde, schon vor dem Gespräch und dem Abendessen mit der Kanzlerin wollen beide um 18 Uhr vor die Presse treten.

Letta hat sich am Abend mühelos das Vertrauen des Abgeordnetenhauses in Rom gesichert. Nach seiner Regierungserklärung stellte sich am Montag eine breite Mehrheit in einem Votum hinter Lettas Anti-Krisen-Programm. 453 der Abgeordneten sprachen ihm das Vertrauen aus, 153 votierten dagegen. Der 46-jährige Sozialdemokrat steht an der Spitze eines 21-köpfigen Kabinetts. Letta kündigte an, abweichend von den bisherigen Gepflogenheiten würden die Kabinettsmitglieder kein zusätzliches Einkommen erhalten, wenn sie ohnehin Abgeordnetenbezüge kassierten. Diese Neuerung habe er exklusiv zur Ankündigung im Parlament vorgesehen und zuvor nicht mit den Ministern besprochen, die am Sonntag bereits vereidigt wurden.

Letta schreibt sich Europa auf die Fahnen

Letta kündigte an, dass er umgehend auch nach Brüssel und nach Paris reisen wolle. Seine Regierung fahre einen pro-europäischen Kurs, der auf eine stärkere europäische Integration hinauslaufen solle. Der "Hafen, den wir anlaufen, nennt sich Vereinigte Staaten von Europa". Seine Arbeit werde den "Erfolg" zum obersten Maßstab haben. "In 18 Monaten werde ich überprüfen, ob die Reformen gelungen sind" - wenn dies nicht der Fall sei, werde er "die Konsequenzen ziehen".

EU-Sozialkommissar Laszlo Andor forderte die Bundesregierung unterdessen zu einem radikalen Kurswechsel in der Euro-Krise auf. "Sparen allein schafft kein Wachstum. Dazu braucht es zusätzliche Investitionen und Nachfrage", sagte Andor der "Süddeutschen Zeitung". Schwächelnde Volkswirtschaften wie Spanien, Italien oder Frankreich müssten mehr Zeit bekommen, ihre Defizite zu reduzieren. "Wenn man kein Wachstum zulässt, sehe ich nicht, wie der Schuldenstand sinken soll."

Bei der ersten Ausgabe von Staatsanleihen nach Vereidigung der neuen Regierung konnte Italien am Montag deutlich niedrigere Zinssätze herausholen: Der Zinssatz für zehnjährige Anleihen lag bei 3,94 Prozent, während er Ende März noch bei 4,66 Prozent gelegen hatte. Schuldtitel mit fünfjähriger Laufzeit gab Italien zu einem Zinssatz von 2,84 Prozent aus. Ende März hatte dieser Satz noch 3,65 Prozent betragen. Die Zinssätze waren laut Dow Jones Newswires die niedrigsten seit Oktober 2010. Insgesamt lieh sich der Staat damit sechs Milliarden Euro.

(AFP/felt)
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