Pulverfass Nahost Lage am Gazastreifen zum Zerreißen gespannt

Gaza (rpo). Die israelische Armee marschiert mit mehreren tausend Mann und dutzenden Panzern auf. Ägypten verstärkt seine Grenztruppen. Die Weltöffentlichkeit reagiert mit hektischen Appellen, der Diplomatie den Vorzug zu geben. Nach der Entführung eines jungen israelischen Soldaten durch militante Palästinenser droht die Situation am Gazastreifen zu eskalieren.

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Foto: AP

Die "Terroristen" müssten verstehen, dass sie nicht ungestraft bleiben würden, sagte Verteidigungsminister Amir Perez. Israel schließt Verhandlungen mit den palästinensischen Geiselnehmern aus.

Der entführte Soldat war am Sonntag bei einem palästinensischen Angriff auf einen Grenzposten verletzt und verschleppt worden. Der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert kündigte daraufhin am Montag einen Großeinsatz der Armee an. Die Truppen waren am Dienstagmorgen in der Nähe des Kibbuz Nahal Os nur wenige hundert Meter von palästinensischem Boden stationiert, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete.

Dem Militärrundfunk zufolge handelte es sich um zwei Infanterieregimenter und zwei Panzerbataillone, die insgesamt 5000 Soldaten umfassen. Aus Sorge um das Leben des entführten Soldaten Gilad Schalit habe die Armeespitze noch nicht den Grenzübertritt befohlen.

Viele Palästinenser verließen aus Angst vor einer Offensive ihre Häuser. In erwartung eines israelischen Angriffs verstärkte Ägypten seine Grenztruppen am Gazastreifen um weitere 2500 Soldaten. Kairo befürchte einen Ansturm palästinensischer Flüchtlinge, falls Israel in den Gazastreifen einmarschieren sollte, sagte ein Sicherheitsbeamter. Auch die Hamas-Regierung tauchte aus Angst vor Festnahmen und gezielten Tötungen durch die israelische Armee ab.

Gazastreifen vollständig abgeriegelt

Die israelische Armee soll den Gazastreifen inzwischen vollständig abgeriegelt haben, auch gegen humanitäre Hilfe von außen. Die Tageszeitung "Jediot Ahronot" hatte bereits berichtete, die israelische Regierung wolle im Gazastreifen die Strom- und Wasserversorgung sowie die Versorgung mit Treibstoff und Lebensmitteln unterbrechen.

Der israelische Infrastrukturminister Benjamin Ben Elieser sagte, für Israel wäre es ein Leichtes, "die Hälfte der palästinensischen Regierung" aus dem Gazastreifen zu entführen, "wenn man mit Geiselnahmen erst einmal anfängt". Zugleich drohte er dem in Damaskus lebenden Exil-Chef der Hamas, Chaled Meschaal. Wer "Terrorismus" der "extremistischsten Linie" verfolge, könne keine Immunität genießen. Meschaal soll hinter der Entführung Schalits stehen.

Die Geiselnehmer der militanten Gruppe Komitee des Volkswiderstandes lehnten eine Freilassung des jungen Soldaten ab. Ihr Sprecher Abu Abir sagte in Gaza, der Soldat befinde sich an einem Ort, "den der Feind nicht erreichen kann". Die Forderungen der Gruppe seien klar: Israel müsse Frauen und Kinder aus dem Gefängnis befreien.

US-Außenministerin Condoleezza Rice forderte Israel auf, der Diplomatie eine Chance zu geben. Es gebe bereits "ein konzertiertes internationales Engagement", um den verschleppten Soldaten freizubekommen. Auch der EU-Außenbeauftragte Javier Solana rief Israel dazu auf, die Freilassung des Soldaten durch Verhandlungen zu erwirken statt durch einen Militäreinsatz.

Keine Verfolgung aus Furcht vor Minenfeldern

UN-Generalsekretär Kofi Annan zeigte sich "alarmiert". In Israel wuchs die Kritik an der Armee, weil der Geheimdienst Schin Beth vorab exakte Daten zu dem Palästinenserüberfall geliefert hatte und dieser für Israel dennoch im Fiasko endete. Zudem hatte das Militär aus Furcht vor Minenfeldern und Angriffen nicht die Verfolg ung der Geiselnehmer und des verschleppten Soldaten aufgenommen. Generalstabschef Dan Halutz setzte eine Untersuchungskommission ein.

Zuletzt hatten militante Palästinenser behauptet, sie hätten einen zweiten israelischen Soldaten in ihre Gewalt gebracht. Die israelische Polizei erklärte am Dienstag, sie nehme die Behauptung sehr ernst. Im Westjordanland werde seit Montagabend ein Siedler vermisst, sagte Polizeisprecher Micky Rosenfeld.

Reservegeneral Amos Gilad, ein ranghoher Mitarbeiter im Verteidigungsministerium, sagte im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Israel habe beschlossen, "politischen und militärischen Druck anzuwenden", um den verschleppten Soldaten wieder freizubekommen. "Wir haben alle notwendigen Maßnahmen ergriffen, um jeden Moment handeln zu können."

Hamas-Kämpfer durch Explosion getötet

(afp)
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