IWF-Chefin im Fadenkreuz der Justiz Lagardes Image als "Sauberfrau" in Gefahr

Paris (RPO). Nach gerade einmal einem Monat an der Spitze des IWF fällt ein Schatten auf Christine Lagarde: Wie ihr Vorgänger und Landsmann Dominique Strauss-Kahn gerät sie ins Visier der Justiz. Der Vorwurf des Amtsmissbrauchs in ihrer Zeit als Frankreichs Finanzministerin wiegt schwer.

 IWF-Chefin Christine Lagarde und der französische Unternehmer Bernard Tapie: Im Ermittlungsverfahren gegen Lagarde geht es um Entschädigungszahlung von 285 Millionen Euro plus Zinsen aus der Staatskasse an Tapie.

IWF-Chefin Christine Lagarde und der französische Unternehmer Bernard Tapie: Im Ermittlungsverfahren gegen Lagarde geht es um Entschädigungszahlung von 285 Millionen Euro plus Zinsen aus der Staatskasse an Tapie.

Foto: EPA;Abaca, dpa

Die Kommentare hörten sich Ende Juni an wie nach einem Fußballspiel. Von einem "schönen Sieg für Frankreich" sprach Präsident Nicolas Sarkozy, von einer "Ehre" für das Land Regierungschef François Fillon. Gemeint war die Ernennung von Christine Lagarde zur Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Doch nach nur gut einem Monat fällt bereits ein Schatten auf Frankreich, das schnell nach dem Skandal um Dominique Strauss-Kahn die Finanzministerin als Nachfolgerin nominierte. Die französische Justiz gab am Donnerstag grünes Licht für Ermittlungen gegen die 55-Jährige in einer alten Affäre um den Verkauf des deutschen Sportartikelherstellers Adidas.

Damit ist die ehemalige Anwältin innerhalb weniger Wochen die zweite Französin an der Spitze des IWF, die es mit der Justiz zu tun bekommt. Sicher wird die frühere Spitzensportlerin nicht so vorgeführt werden wie Strauss-Kahn, der Ende Mai wegen Vergewaltigungsversuchs tagelang in einer New Yorker Gefängniszelle sitzen musste. Doch ganz spurlos dürften die Ermittlungen auch an Lagarde nicht vorbeigehen, die ihre Arbeit als IWF-Chefin durch die Ermittlungen nicht beeinträchtigt sieht.

Ein Opfer des Vor-Wahlkampfs

Lagarde, die eigentlich als Sauberfrau des Kabinetts galt, ist letztendlich ein Opfer des Vorwahlkampfes in Frankreich, wo in knapp neun Monaten ein neuer Präsident gewählt wird. Es waren nämlich die oppositionellen Sozialisten, die Untersuchungsrichter Jean-Louis Nadal baten, den Gerichtshof der Republik mit dem Fall zu befassen. Lagarde soll, als es beim Adidas-Verkauf um Entschädigungen für den früheren Besitzer Bernard Tapie ging, zugunsten des zwielichtigen Geschäftsmannes gehandelt und so den Staat um Steuergelder im dreistelligen Millionenbereich gebracht haben.

Lagardes Anwalt Yves Repiquet ätzte nach der Justizentscheidung am Donnerstag auch gleich gegen die "Handvoll Abgeordnete", die den Verdacht gegen seine Mandantin zu politischen Zwecken aufgebracht hätten. Eigentlich geht es den Sozialisten, die ursprünglich ihren gefallenen Hoffnungsträger DSK ins Rennen um die Präsidentschaft schicken wollten, nicht um Lagarde, sondern um Sarkozy. Der soll nämlich ein guter Freund Tapies sein und seine damalige Finanzministerin dazu gebracht haben, die Angelegenheit im Sinne des früheren Präsidenten des Fußballvereins Olympique Marseille zu erledigen.

"Solche Entscheidungen konnte sie nicht fällen ohne vorherige Anweisung der höchsten Staatsautorität, des Präsidenten", schrieb der Experte für öffentliches Recht, Hubert Lesaffre, am Donnerstag in einem Beitrag für die Zeitung "Le Monde". Die Sozialisten zogen auch sofort nach der Justizentscheidung die Verbindung zu Sarkozy. "Dies alles verdeutlicht die Vermengung politischer, wirtschaftlicher und finanzieller Interessen, die seit der Wahl von Nicolas Sarkozy an der Staatsspitze herrscht", erklärte Fraktionschef Jean-Marc Ayrault.

Doch der Präsident, der seine Kandidatur für die Wiederwahl noch nicht erklärt hat, dürfte die Affäre aussitzen. Und die Justiz könnte ihm dabei helfen: Sollten die Ermittlungen tatsächlich zu einem Prozess führen, dürfte es mehrere Jahre dauern, bis es zu einem Urteil kommt. Dann sind wahrscheinlich weder Sarkozy noch Lagarde noch im Amt.

(AFP/jre)
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