Proteste gegen IS-Terror Kurden und Islamisten liefern sich Schlägerei in Hamburg

Istanbul · Bei Protesten kurdischer Gruppen gegen die türkische Regierung sind am Dienstagabend in der Türkei mindestens zwölf Menschen getötet worden. Viele Kurden werfen der Regierung Tatenlosigkeit vor, da sie nicht aktiv gegen das Vorschreiten der Terrormiliz IS auf die syrische Grenzstadt Kobane vorgehe. Auch in Deutschland kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.

Darum gehen Kurden und Islamisten in Deutschland aufeinander los
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Foto: dpa, mks fpt

Wie ein Sprecher der Polizei am Mittwoch sagte, hatten sich nach einer Demonstration gegen die Terrormiliz Islamischer Staat am Dienstag in Hamburg etwa 400 Kurden in der Nähe einer Moschee versammelt. Dort stellten sich ihnen etwa 400 "radikale Muslime" entgegen. Dabei habe es sich mutmaßlich um Salafisten gehandelt. Zwischen einigen Mitgliedern der beiden Gruppen gab es "gewalttätige körperliche Auseinandersetzungen". Die Polizei habe Wasserwerfer eingesetzt. Weitere Hintergründe nannte der Sprecher zunächst nicht.

Kurden protestieren in Deutschland gegen IS
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Zuvor hatten etwa 500 Kurden in der Hamburger Innenstadt friedlich Solidarität mit den vom IS bedrängten Menschen in der umkämpften syrisch-türkischen Grenzstadt Kobane gefordert. Eine Gruppe von etwa 80 Kurden hatte für etwa eine Stunde mehrere Gleise am Hamburger Bahnhof blockiert. Die Bundespolizei löste die Blockade auf.

Tote und Verletzte in der Türkei

Laut Medienberichten wurden bei Protesten in der Türkei mindestens zwölf Menschen geötet und weitere Menschen verletzt. Am Dienstag war es in mehrheitlich von Kurden bewohnten Städten im Südosten der Türkei zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei, aber auch mit Islamisten gekommen.

Das türkische Parlament hat zwar den Einsatz der Armee in Syrien und dem Irak autorisiert, doch hat die Regierung von Ministerpräsident Ahmet Davutoglu bisher keine militärische Intervention gestartet. Die Kurdenpartei HDP hatte deshalb zu den landesweiten Protesten am Dienstag aufgerufen, tausende Menschen folgten dem Appell.

Schusswechsel zwischen prokurdischen Aktivisten und Islamisten

In der südöstlichen Großstadt Diyarbakir wurden nach Berichten vom Abend fünf Menschen getötet, als es zu Schusswechseln zwischen prokurdischen Aktivisten und Islamisten kam. Mindestens zehn weitere wurden verletzt. Ein Polizeifahrzeug, weitere Autos, Geschäfte und Regierungsgebäude wurden in Brand gesteckt oder anderweitig beschädigt. Mindestens drei Tote wurden aus Mardin gemeldet, zwei in Siirt sowie jeweils einer aus den Städten Batman und Mus.

In den kurdischen Provinzen Diyarbakir, Mardin, Siirt und Van wurde eine Ausgangssperre verhängt. Die Polizei setzte in Istanbul und Ankara Tränengas und Wasserwerfer gegen die Demonstranten ein. Proteste gab es auch in der Küstenstadt Antalya sowie in Mersin und Adana im Süden.

Innenminister Efkan Ala forderte die Demonstranten am Abend zum Rückzug auf, sonst drohten "unvorhersehbare Folgen". Der inhaftierte Anführer der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, schrieb derweil in einer Botschaft, die Regierung habe bis Mitte Oktober Zeit, um ihre Ernsthaftigkeit bei den Friedensverhandlungen mit der PKK zu zeigen. Die schon länger stockenden Gespräche stehen angesichts des Konflikts um Kobane vor dem Scheitern.

Die türkische Regierung hat am Mittwoch zu einem sofortigen Ende der gewalttätigen Demonstrationen im Zusammenhang mit der syrisch-kurdischen Stadt Kobane in der Türkei aufgerufen. "Wir werden keine Toleranz gegenüber gewalttätigen Protesten oder Vandalismus zeigen", sagte der stellvertretende Ministerpräsident Yalcin Akdogan nach Angaben der Nachrichtenagentur Anadolu.

Demonstratrion in deutschen Großstädten

Nicht nur in der Türkei, sondern auch in zahlreichen Städten Deutschlands, Frankreichs und Belgiens gab es Proteste der Kurden. Bei einer Straßenschlacht zwischen Kurden und radikalen Muslimen sind in Hamburg mehrere Menschen verletzt worden.

In Berlin, Bremen, Düsseldorf, Hamburg, Hannover, Kiel und Stuttgart kamen am Montagabend und Dienstag teils mehrere hundert Menschen zu Kundgebungen zusammen. In Bonn drangen Demonstranten in das Gebäude der Deutschen Welle ein, um eine Deklaration zu übergeben. Auch in Düsseldorf und Kiel gab es in den Studios der Rundfunksender WDR und NDR ähnliche Aktionen. Die Demonstrationen verliefen überwiegend friedlich.

Nahe des Präsidentensitzes in Paris versammelten sich rund 200 Kurden zu einem Sitzstreik, bevor am Abend etwa 500 Demonstranten am Außenministerium vorbeizogen. Weitere Protestmärsche mit hunderten Teilnehmern gab es in Marseille, Toulouse und Bordeaux. Dabei gab es in Toulouse Zusammenstöße mit der Polizei, die Tränengas einsetzte. In Marseille wurden vor dem türkischen Konsulat 15 Demonstranten festgenommen.

Mehrere Dutzend kurdische Demonstranten drangen am Dienstag in das Europaparlament in Brüssel ein. Nachdem sich mehrere Abgeordnete mit ihnen zu Gesprächen trafen und Parlamentspräsident Martin Schulz einer Delegation seine Unterstützung gegen die Dschihadisten zusagte, zogen die Demonstranten wieder ab.

(AFP/dpa)
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