Fragen und Antworten zu Krisenherden Welche Rolle die Mächte im Nahen Osten spielen

Istanbul · Der Nahe Osten - nur wenige Regionen auf der Welt werden so stark von Krieg und Gewalt geprägt. Insbesondere die Rivalität zwischen Saudi-Arabien und dem Iran sorgt für Spannungen. Aber auch andere Mächte zeigen ihre Muskeln. Wir geben einen Überblick.

 Palästinensische Kämpfer in einem Camp der Hamas in Gaza-Stadt (Archivbild).

Palästinensische Kämpfer in einem Camp der Hamas in Gaza-Stadt (Archivbild).

Foto: dpa

Zwischen den Hauptstädten Libyens und des Jemen liegen mehr als 3500 Kilometer. Direktflüge zwischen Tripolis und Sanaa gibt es nicht, wer mit dem Auto fahren wollte, bräuchte Tage - wenn er denn überhaupt durchkäme. Schließlich tobt in beiden Ländern die Gewalt. Doch so weit Libyen und der Jemen auch auseinander liegen, existieren zwischen den beiden Kriegen Berührungspunkte. Wie auch die Krisen im Irak, in Syrien, in Katar sowie der Nahost-Konflikt miteinander verwoben sind und sich beeinflussen. Die eskalierende Konfrontation Washingtons mit dem Iran macht das erneut deutlich.

Wie dunkle Wolken hängen die Rivalitäten der Regionalmächte über der Region, in der zugleich die USA, Russland und Europa um Einfluss buhlen. Im Zentrum steht das sunnitische Saudi-Arabien, reich und mächtig dank Öl, zugleich enger Verbündeter von US-Präsident Donald Trump. An seiner Seite weiß Riad die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und - zumindest als inoffiziellen Partner - Israel.

Ihren Erzfeind sehen diese Staaten im schiitischen Iran, dem sie vorwerfen, sich aggressiv in die Region einzumischen. Und tatsächlich reicht der Arm Teherans weit in die arabische Welt hinein. Vor allem in Syrien und im Irak ist Irans Einfluss groß.

Als Rivalen betrachtet Saudi-Arabien auch die Türkei, die wiederum enge Kontakte zu Katar pflegt. Ankara und Doha unterstützen islamistische Bewegungen wie die Muslimbrüder - in denen das saudische Königshaus eine Gefahr für seine Herrschaft sieht. Diese stützt sich darauf, Beschützer Mekka und Medinas zu sein, der beiden heiligsten Stätten des Islam. Doch Islamisten wie die Muslimbrüder machen Riad die Religion als Mittel der Legitimation streitig.

Diese regionalen Rivalitäten spielen auf unterschiedliche Art und Weise in die vielen Konflikte der Region hinein. Ein komplexes Geflecht - denn auch wer in dem einen Konflikt auf einer Seite steht, kann anderenorts miteinander konkurrieren.

SYRIEN: In mehr als acht Jahren Bürgerkrieg hat der Iran hier seinen Einfluss massiv ausgebaut. Von Teheran finanzierte Milizen kämpfen an der Seite der Truppen von Machthaber Baschar al-Assad. Syriens Rebellen sprechen sogar von einer „iranischen Besatzung“. Auch Russland unterstützt die Regierungstruppen. Teheran verfolgt vor allem das Ziel, eine Landachse vom Libanon am Mittelmeer über Syrien und den Irak bis nach Teheran zu errichten. Und seinen militärischen Einfluss über Milizen bis vor die Grenze Israels auszudehnen.

Wichtigster Verbündeter der syrischen Opposition ist die Türkei. Unterstützung kommt zudem aus Saudi-Arabien und Katar. Auch die USA haben in Syrien Truppen im Einsatz, die dort die IS-Terrormiliz bekämpfen, aber auch den iranischen Einfluss zurückdrängen sollen.

IRAK: Das Krisenland ist das zweite große Spielfeld der iranischen Führung. Auch hier unterstützt Teheran Milizen, die politisch starken Einfluss besitzen. Gegen sie kann etwa in Bagdad keine Regierung gebildet werden. Den pro-iranischen Kräften geht es darum, dass die US-Truppen aus dem Land abziehen. Nach Informationen aus US-Geheimdienstkreisen planen die Milizen Angriffe auf US-Soldaten.

Deswegen reiste Außenminister Mike Pompeo in dieser Woche nach Bagdad und verlangte Medien zufolge von Regierungschef Adel Abdel Mahdi, Irans Einfluss zurückzudrängen. Eine praktisch unerfüllbare Forderung, zu mächtig ist Teherans Rolle. So befürchten Beobachter, der US-Konflikt mit dem Iran könne im Irak am ehesten eskalieren.

NAHOST-KONFLIKT: Der Iran unterstützt die radikalen palästinensischen Gruppierungen Hamas und Islamischer Dschihad, aber auch die schiitische Miliz Hisbollah im Nachbarland Libanon, die Israel bekämpft. 2006 kam es sogar zum Krieg zwischen Hisbollah und Israel. Die israelische Armee fliegt immer wieder Einsätze in Syrien, die sich vor allem gegen Teheran-treue Einrichtungen und Milizen richten.

Der gemeinsame Erzfeind Iran verbindet auch Israel und Saudi-Arabien. Offiziell pflegen die beiden Länder keine Beziehungen, doch inoffiziell dürfte es Kontakte geben. So soll Saudi-Arabien auch in die Ausarbeitung des Nahost-Friedensplans eingebunden sein, den Trumps Schwiegersohn Jared Kushner bald vorlegen will. Allerdings: Als Trump die besetzen syrischen Golanhöhen als Teil Israels anerkannte, stieß das auch auf Kritik aus Saudi-Arabien.

KATAR-KRISE: Im Sommer 2017 verhängte Saudi-Arabien eine Blockade über Katar. An der Seite Riads stehen dabei die VAE und Ägypten. Sie werfen dem Golf-Emirat zu enge Beziehungen zum Iran, Terrorunterstützung und Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten vor. Sie stoßen sich unter anderem an dem katarischen TV-Kanal Al-Dschasira, in dem auch immer wieder Muslimbrüder und andere Islamisten zu Wort kommen. Katar weist die Vorwürfe zurück. Das kleine, aber reiche Emirat pflegt zum Iran ein gutes Verhältnis, auch weil es sich mit ihm am Golf das größte Gasfeld der Welt teilt.

JEMEN: Auch hier bilden Saudi-Arabien und die VAE ein Bündnis, das die international anerkannte Regierung unterstützt. Diese wird von den Huthi-Rebellen bekämpft - in denen Saudi-Arabien und seine Partner einen engen Verbündeten des Irans sehen. Allerdings ist Teherans Einfluss im Jemen nicht annähernd mit dem in Syrien oder Irak zu vergleichen. Seit 2015 fliegt Riads Koalition in dem Bürgerkriegsland Luftangriffe und hat so maßgeblich zur massiven humanitären Krise in dem ohnehin bettelarmen Staat beigetragen.

LIBYEN: In dem nordafrikanischen Land rivalisiert die international anerkannte Regierung von Fajis al-Sarradsch mit dem einflussreichen General Chalifa Haftar. Dessen Truppen begannen im vergangenen Monat eine Offensive auf Tripolis, wo die Regierung sitzt. Haftar erhält Unterstützung aus den Emiraten und Ägypten, aber auch von Saudi-Arabien. Der General gibt seinen Einsatz als Kampf gegen Terroristen aus, zu denen er auch die Islamisten zählt. Katar und die Türkei wiederum stehen auf der Seite von Milizen, die mit der international anerkannten Sarradsch-Regierung verbunden sind.

IS-TERRORMILIZ: Von den Krisen und Konflikten profitieren nicht zuletzt Extremisten wie die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Sie konnte die instabile Lagen und geschwächten staatlichen Strukturen im Irak und in Syrien ausnutzen, um dort ein großes Herrschaftsgebiet zu errichten. Auch im Jemen und in Libyen ist sie weiter aktiv, wo sie zuletzt erneut Angriffe für sich reklamierte. Die radikale Ideologie der sunnitischen Dschihadisten richtet sich vor allem gegen Schiiten. Sie speist sich wesentlich aus dem saudischen Wahhabismus, einer streng konservativen und puritanischen Lesart des Islam.

(felt/dpa)
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