Krise in Österreich Koalition am Ende

Wien · Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz will FPÖ-Innenminister Herbert Kickl entlassen. Die FPÖ reagiert und kündigt an, sämtliche Minister aus der Regierung abzuziehen. Das dürfte das Ende der Koalition sein.

 Sebastian Kurz tritt am Montag in Wien vor die Presse.

Sebastian Kurz tritt am Montag in Wien vor die Presse.

Foto: AFP/ALEX HALADA

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will sich in der schweren Regierungskrise von seinem umstrittenen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) trennen. Er werde Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Entlassung vorschlagen, sagte der 32-Jährige am Montagabend in Wien. Nach dem Skandal-Video von Ibiza brauche es nun „vollständige Transparenz“ und „lückenlose Aufklärung“, sagte Kurz.

Als Reaktion darauf kündigten am Abend alle FPÖ-Minister an, die Regierung zu verlassen. Der designierte FPÖ-Chef Norbert Hofer hatte diesen Schritt zuvor bereits angekündigt für den Fall, dass Kickl entlassen würde. Kurz’ Plan ist es, bis zur Neuwahl im September durch den Weggang der FPÖ freiwerdende Posten mit Experten oder Spitzenbeamten zu besetzen.

Kurz hatte erreichen wollen, dass Kickl von seinem Amt zurücktritt. Kickls Entlassung habe er mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen abgesprochen. Offiziell kann in Österreich nur der Bundespräsident einen Minister entlassen. Die FPÖ sei, begründete Kurz, weiterhin nicht zur Aufarbeitung des Skandals bereit, zeige kein Bewusstsein für die Dimension des Skandals und überdies keine Sensibilität im Umgang mit den Vorwürfen.

Auslöser für die Regierungskrise war ein von „Spiegel“ und „Süddeutscher Zeitung“ veröffentlichtes Video. Darin hatte Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache einer angeblichen russischen Oligarchen-Nichte unter anderem öffentliche Aufträge in Aussicht gestellt, sollte sie der FPÖ zum Erfolg bei der Nationalratswahl 2017 verhelfen. Strache trat zurück. Die ÖVP-FPÖ-Koalition wurde von Kurz aufgekündigt, die Neuwahl sollen im September stattfinden. Kickl war Generalsekretär der FPÖ, als das Video gedreht wurde. Er warf dem Koalitionspartner vor: „Das ist eine kalte und nüchterne Machtbesessenheit der ÖVP.“

Der sozialdemokratischen SPÖ gehen Kurz’ Pläne längst nicht weit genug – sie möchte die komplette Regierung gegen Experten ausgetauscht sehen. Nur ein solcher Schritt wäre eine „gute und tragfähige Lösung“, sagte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner nach einem Gespräch mit dem Bundespräsidenten.

SPD-Chefin Andrea Nahles hatte zuvor den Rücktritt von Kickl verlangt. „Die Aufklärung dieser ganzen Affäre darf nicht in den Händen eines FPÖ-Ministers liegen“, sagte Nahles. Sie rief Kurz dazu auf, Verantwortung für die Affäre zu übernehmen: „Ich möchte ganz klar sagen, dass er in erster Linie dafür verantwortlich ist, dass es überhaupt einen Vizekanzler Strache gegeben hat, dass überhaupt solche Leute an die Macht kommen konnten“, sagte sie.

Angesichts der gescheiterten Koalition in Österreich hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) grundsätzlich vor Bündnissen mit Rechtspopulisten gewarnt, besonders mit der AfD in Deutschland. „Die deutsche Politik kann daraus lernen, dass es mit Rechtspopulisten keine Annäherung geben darf. Es ist eine Illusion zu glauben, dass man den Charakter von Rechtspopulisten ändert, wenn man sie in Verantwortung einbindet“, sagte Söder der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Dienstag). „ Die Hoffnung wird enttäuscht. Denn die politischen Methoden der Rechtspopulisten bleiben überall die gleichen, ob in Italien, Großbritannien, Österreich oder Deutschland. Es geht um Selbstüberschätzung, Wut und um Destruktivität“, betonte der CSU-Chef. Mit Blick auf die AfD erklärte Söder weiter: „Jeder, der einen Ansatz von bürgerlichem Selbstverständnis hat, der Verfassungstreue und Rechtsstaatlichkeit will, sollte sich einfach noch einmal überlegen, ob er sich mit der AfD auf Dauer verbinden will.“ In Deutschland sei die Lage „noch schärfer als in Österreich“. Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke strebe nach ganz rechts außen. „Sein Flügel, den er in der AfD vertritt, birgt rechtsextremes Gedankengut.“

(dpa/kd/may-/rtr)
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