Das Habsburg-Jubiläum, jüngst in Wien von Ihrer Familie gefeiert, hat in Österreich Kritik ausgelöst. Schließlich ist dort der Adel abgeschafft. Warum war es Ihnen dennoch wichtig, an die Wahl von Rudolf von Habsburg vor 750 Jahren zum deutschen König zu erinnern?
Karl von Habsburg „Ich glaube nicht, dass Deutschland ein verlässlicher Partner ist“
Interview | Mondsee · Karl von Habsburg engagiert sich finanziell und auch persönlich in der Ukraine. Gefährliche Situationen im Kriegsgebiet nimmt er in Kauf. An Deutschlands Rolle übt er scharfe Kritik.
Seine Vorfahren waren Könige und Kaiser. Daraus leitet der Enkel des letzten österreichischen Regenten politische Verantwortung ab. Sein Einsatz als Berater in Völkerrechtsfragen gilt derzeit vor allem der Ukraine. Im Interview spricht er über Putin, rote Linien und die Gefahr eines Atomkriegs. Deutschlands Zuverlässigkeit stellt der Politikkenner in Frage.
von Habsburg Wir sind uns unserer Rolle in der Geschichte bewusst. Aus dem Blick zurück ergibt sich aber kein Anspruch, wohl aber eine Verpflichtung, sich für das Gemeinwohl einzusetzen. Viele Leute haben das ausgelegt, als würden wir 750 Jahre Habsburg-Regentschaft feiern. Dem ist nicht so. Die Wahl zum deutschen König war natürlich eine der ganz wesentlichen ersten Positionen, die die Familie besetzt hat. Und ich habe Bewunderung für Rudolf. Er war Europäer durch und durch und verstand es, sich mit den Nachbarn zu arrangieren, ganz egal welche Sprache sie gesprochen und welches Interesse sie vertreten haben. Wenn es keine Kritik an der Feier gegeben hätte, hätte ich etwas falsch gemacht. Unsere Familie ist für mich eine historische Konstante. Wir bleiben politisch, auch in der jungen Generation, nicht im staatlichen Sinne, wohl aber im Einsatz für christliche Werte, für Rechtsstaatlichkeit und ganz besonders für ein vereintes Europa.
Sehen Sie in dem Zusammenhang auch Ihren Einsatz in der Ukraine?
von Habsburg In der Ukraine kommt noch viel mehr dazu. Die West-Ukraine war, wenn man so will, für lange Zeit österreichisches Kernland. Vor allem dort wird Erzherzog Wilhelm in besonderer Weise verehrt, weil er sich für einen eigenen ukrainischen Staat eingesetzt hat. Die Nation orientiert sich in ihrem Selbstverständnis an seinem Vorbild bis heute. Das Gedenken an ihn hat mich schon früh bei meinen ersten Reisen in die Ukraine zusammen mit meinem Vater zu diesem Engagement gebracht. Dazu gehört auch, dass ich in der Ukraine mit den Radiostationen tätig wurde und viele persönliche Beziehungen aufgebaut und Freunde gewonnen habe.
Wie ist die Lage in der Ukraine? Sie waren kürzlich in Charkiw.
von Habsburg Unsere Radiosender arbeiten – allerdings vor allem aus dem Homeoffice, um die Mitarbeiter zu schützen. Denn der Sender befindet sich im elften Stock eines Hochhauses in Kiew. Fällt der Strom aus, kommt niemand mehr heraus. Ich bin stolz darauf, dass wir seit Kriegsbeginn nur vier Stunden nicht senden konnten. In Charkiw ist die allgemeine Lage noch bedrohlicher. Jüngst sind bei einem Luftangriff sechs Menschen ums Leben gekommen, auch eine uns vertraute Person war unter den Opfern. Ich kenne das zerstörte Gebäude gut. Es ist nur zwei Straßen von dem Hotel entfernt, in dem ich regelmäßig übernachte. Vom Hotel aus sieht man immer wieder die Leuchtmunition der Luftabwehr und bekommt auch Explosionen mit. Dort herrscht fast ständig Luftalarm – zuletzt 21 Angriffe in 24 Stunden. Trotzdem kann keiner einfach seine Tätigkeit unterbrechen. Und auch ich stehe nachts nicht jedes Mal auf, wenn der Alarm ertönt.
Warum gehen Sie das Risiko trotzdem ein?
von Habsburg Man hat das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Zum einen ist es extrem wichtig, dass die Menschen vor Ort merken, dass man sich um sie kümmert. Allein die Anwesenheit wird als stärkend wahrgenommen. Denn es gehen nicht viele Leute dorthin, allein die Anreise dauert von Wien aus mit dem Zug zwei Tage. Aber die Bahn fährt und das zuverlässig.
Sie unterstützen regelmäßig die Ukraine-Hilfe und haben besondere Partner.
von Habsburg Diesmal ging es vor allen Dingen um eine Organisation, die in Zusammenarbeit mit der OSZE unglaublich viel leistet. Dabei geht es um Generatoren für Schulen in Charkiw, die in die U-Bahn-Stationen verlegt wurden, um die Kinder vor Luftangriffen zu schützen. Die brauchen natürlich Strom. Da habe ich gerne mit meinen Kontakten mitgeholfen.
Wie beurteilen Sie die Ausweitung des Krieges ins russische Gebiet?
von Habsburg Das hat mich, aber auch viele Ukrainer überrascht. Die Aktion hat deutlich gemacht, dass auch Russland verletzlich ist. Ich glaube, dass das Gerede von einer roten Linie reines Säbelrasseln der Russen ist. Sie haben immer damit gedroht, wenn dies oder jenes geschieht, werden wir Nukleararsenal einsetzen. Ich finde, auch der Westen sollte ganz klar eine rote Linie aufzeigen. Aber auch konsequent durchsetzen. Schließlich ist es ein Krieg und militärische Mittel müssen auch entsprechend eingesetzt werden. Meine Hauptsorge ist allerdings, dass jetzt Politiker im Westen kalte Füße bekommen und mit ihrer Unterstützung für die Ukraine nachlassen. Wer Hilfe verspricht, darf gerade nicht nur so viel geben, dass keiner verhungert. An mangelnder Unterstützung ist letztlich auch die Sommeroffensive gescheitert. Als Erfolge zu sehen waren, wurden die Lieferungen gedrosselt. Ich habe auch jetzt wieder das Gefühl, dass der Westen plötzlich wieder Angstzustände bekommt, weil die Ukraine bis Kursk erfolgreich war. Er beginnt, den Ukrainern den Teppich unter den Füßen wegzuziehen. Das spielt Russland in die Hände. Eine Position der Schwäche fordert immer den Aggressionstrieb heraus.
Ist Deutschland ein verlässlicher Partner für die Ukraine?
von Habsburg Nein, ich glaube nicht, dass Deutschland ein verlässlicher Partner ist. Aber es ist ein extrem wichtiger, vor allem wirtschaftlicher Partner für die Ukraine. Der zweitwichtigste nach den USA. Die Problematik ist eben, dass man sich in vielen Fällen nicht unbedingt auf das verlassen kann, was von Deutschland zugesagt wird. Auf der einen Seite ist die Ukraine sehr froh über einen Verteidigungsminister und eine Außenministerin, die klare Aussagen machen. Aber wenn das Ganze dann durch den Bundeskanzler hintertrieben wird, ist das ein Problem.
Sollte tatsächlich Trump gewählt werden …
von Habsburg Ich wage nicht, in meinen Albträumen daran zu denken, was dann geschieht. Trump ist völlig unberechenbar.
Wie ist die Stimmungslage für die Ukraine-Hilfe in Deutschland angesichts des Erstarkens extremistischer Kräfte?
von Habsburg Insgesamt noch gut. Weil wir alle wissen, dass die Ukraine für uns den Kopf hinhält. Und doch kommen Ängste auf. Es geht nicht allein um die Ukraine. Die westliche Ideologie der Freiheit soll vernichtet werden. Wenn die Ukraine fällt, ist es nur ein erster Schritt für Russland und dann geht es um die baltischen Staaten, um Moldawien und auch um Polen. Schließlich hat die Ukraine ein sehr erfolgreiches Modell geschaffen mit westlicher Orientierung und europäischer Ausrichtung. Das stellt für das russische System mit seinem sowjetischen Hintergrund eine Bedrohung dar. Deshalb wurde von Putin der Schritt unternommen, die Ukraine zu eliminieren und zu einem Vasallenstaat nach dem Vorbild Weißrusslands zu machen.
Hat sich die Gefahr eines Atomkriegs erhöht?
von Habsburg Eher nicht. Niemand ist so wahnsinnig, strategische Nuklearwaffen einzusetzen, die die Welt vernichten würden. Das wäre die ultimative Katastrophe. Atomwaffen zählen aber weiter zum russischen Arsenal. Auch die Nutzung sogenannter taktischer Waffen, deren Einsatz räumlich begrenzt ist, bleibt möglich. Russland kann jederzeit darauf zurückgreifen.
Welche Chancen sehen Sie für Friedensverhandlungen? Davon ist ja gerade bei den extremen Parteien häufig die Rede.
von Habsburg Darauf wird sich Russland nicht einlassen. Allein die Frage des Einfrierens des jetzigen Frontverlaufs ist mittlerweile für Russland inakzeptabel geworden. Zu jeder Friedensverhandlung gehören zumindest zwei Partner, die es wirklich wollen. Russland hat ausnahmslos jeden Vertrag gebrochen, der mit ukrainischem Territorium zu tun hat.
Wie sehen Sie Ihre Rolle?
von Habsburg Ich glaube, dass man sich in gewissen Konflikten engagieren muss. Dazu gehört es auch, vor Ort zu sein und Solidarität zu zeigen. Ich möchte die Politik überzeugen, das gemeinsame europäische Verständnis zu vertreten. Dazu gehört – gerade in diesen Zeiten der Kriege und Krisen – eine europäische Außenpolitik. Die Europäische Union braucht ein wirkliches Außenministerium und auch ein Verteidigungsministerium mit einer entsprechenden Struktur und Doktrin. Wir leben in der Beziehung geistig, gerade was unsere Sicherheit anbelangt, nach wie vor kurz nach dem Zweiten Weltkrieg und haben uns nicht mehr wirklich weiterentwickelt. Wir brauchen eine Struktur, die handlungsfähig ist. Und um handlungsfähig zu sein, braucht es gewisse Institutionen, die auch schnell handeln können. Dafür muss in gewissen europäischen Institutionen das Prinzip der Einstimmigkeit fallen.
Zum Schluss eine persönliche Frage. Sie haben geheiratet. Wo liegt Ihr Lebensmittelpunkt jetzt?
von Habsburg Also mein Lebensmittelpunkt ist immer da gelegen, wo ich am meisten zu tun hatte, wo ich am meisten zu arbeiten hatte. Meine Frau kommt aus Portugal, aus Porto. Das heißt, ich bin dort immer wieder und daher relativ viel unterwegs zwischen Wien und Porto. Und ich habe momentan natürlich auch einen Schwerpunkt in Richtung Ukraine.
Gibt es eine Botschaft, die Ihnen besonders wichtig ist?
von Habsburg Ich bin ein absolut passionierter Europäer und ein großer Anhänger der freiheitlich demokratischen Grundwerte. Das sind Werte, die wir jeden Tag neu verteidigen müssen.