Krieg gegen russische Invasion Das bremst den Beginn der ukrainischen Frühjahrsoffensive

Washington · Im Juni beginnt der Sommer, doch noch immer keine Spur von der angekündigten Frühjahrsoffensive der Ukraine. Wo bleibt sie denn? Die wichtigsten Bremser – und die Anzeichen für den Start.

Ein ukrainischer Soldat steht Anfang Mai 2023 in einem Graben in der Nähe der russischen Stellungen in der Region Luhansk (Archivfoto).

Ein ukrainischer Soldat steht Anfang Mai 2023 in einem Graben in der Nähe der russischen Stellungen in der Region Luhansk (Archivfoto).

Foto: dpa/LIBKOS

Über die vergangenen Monate hinweg haben die Partner aus dem Westen Waffensysteme und Munition im Milliardenwert in die Ukraine gebracht – unter Druck, die Ausrüstung rechtzeitig für eine erwartete Frühjahrsoffensive zu liefern. Jetzt ist der Sommer nur noch wenige Wochen entfernt, und die ukrainische Offensive lässt auf sich warten.

Präsident Wolodymyr Selenskyj hat das in der vergangenen Woche damit erklärt, dass sein Land weiterhin nicht über genug westliche Waffen verfüge, um auf einen Erfolg ohne große Verluste setzen zu können. Aus Behörden- und Verteidigungskreisen heißt es zudem, auch das Wetter und die Kampfvorbereitung der Truppen spielten eine Rolle.

Die Gegenoffensive gegen den russischen Vormarsch aber werde kommen, wird offiziell in der Ukraine betont. Ein Vertreter aus US-Regierungskreisen erklärte dazu vertraulich, dass die Ukraine bereits erste Schritte eingeleitet habe. Mehrere Faktoren tragen dazu bei, dass bislang kein Großangriff zu beobachten ist.

Das Wetter

Ein Grund für die Verzögerung der Frühjahrsoffensive ist das Wetter. Das Auftauen des gefrorenen Bodens hat länger gebraucht als erwartet. Der Winter ging in einen nassen, kalten Frühling über, bei dem die Böden nicht wie erwartet austrockneten. Stattdessen ist tiefer Schlamm zurückgeblieben, sodass Fahrzeuge ohne Ketten schwer vorankommen, auch für schweres Gerät ist ein Matschboden denkbar ungünstig. Der Schlamm sei wie eine Suppe, sagt der US-Beamte. „Man versinkt regelrecht darin.“

Ausbildung der Truppen

In den vergangenen Monaten haben die USA und ihre Verbündeten die ukrainischen Truppen bei der Ausbildung Zehntausender Soldaten unterstützt. Das letzte Bataillon im US-Training beendet jetzt erst seinen Kurs, der nicht nur Kampftechniken umfasst, sondern auch gezielte Ausbildung an Waffensystemen und kombinierte Waffentaktiken. Nach Angaben der US-Streitkräfte beteiligen sich mehr als 30 Partnernationen an diesen Ausbildungsprogrammen.

Was noch aussteht, ist die Einweisung der ukrainischen Truppen in Abrams-Panzer. Das planen die USA auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr in Bayern. Für ihre Gegenoffensive werde die Ukraine allerdings nicht warten, bis diese Panzerausbildung abgeschlossen sei, erklärte der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow vor kurzem.

Waffenlieferungen

Allein in den vergangenen fünf Monaten haben die USA Waffen und Munition im Wert von mehr als 14 Milliarden Dollar (rund 13 Milliarden Euro) zugesagt. Der größte Teil kommt aus dem Bestand, damit die USA die Waffen schneller nach Kiew liefern können. Auch andere westliche Partner haben Panzer, Fahrzeuge und Luftabwehrsysteme im Milliardenwert zugesichert.

Vieles davon sei jedoch noch nicht eingetroffen, erklärt Ben Barry vom Internationalen Institut für Strategische Studien (IISS), ein britischer Ex-Geheimdienstler. So seien von rund 300 zugesagten Panzersystemen, wie der Leopard 2, bislang nur etwa 100 angekommen. Von rund 700 zugesagten Kampffahrzeugen, wie den Marauders und den amerikanischen Bradley-Schützenpanzern, sei es knapp die Hälfte.

Beim Beginn einer Offensive werde auch genügend Munition benötigt. Hier werde die Leitung der ukrainische Militärlogistik großes Gewicht bei der Entscheidung haben, wann die Ukraine startbereit sei, erklärt Barry.

Hinweise auf eine Gegenoffensive

Russland verfügt nach Angaben aus westlichen Regierungskreisen derzeit entlang einer 1000 Kilometer langen Kampflinie über rund 200.000 Soldaten, die sich ähnlich wie im Ersten Weltkrieg eingegraben hätten. Diese Truppen seien nicht so gut ausgebildet wie jene, die zuerst die Ukraine angriffen. Sie seien aber geschützt von Gräben, Minenfeldern und Panzersperren aus Beton.

Die Ukraine hat begonnen, die russischen Linien aus großer Entfernung mit Artilleriefeuer zu beschießen. Dies könnte nach Ansicht des westlichen Informanten ein Hinweis sein, dass ein Vorstoß an dieser Stelle geplant sei – oder auch ein Ablenkungsmanöver, um die russische Aufmerksamkeit auf diesen Ort zu richten und von dem dann eigentlichen Angriffspunkt abzulenken.

Sollte die Ukraine dann versuchen, in russisch gehaltene Gebiete vorzudringen und die Verteidigungslinien zu durchbrechen, dann wäre das nach Ansicht von IISS-Experte Barry ein klares Zeichen: Die Frühjahrsoffensive hat begonnen.

(peng/dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort