Scholz fordert Bestrafung Ukraine erinnert an Befreiung Butschas – Neue russische Angriffe
Kiew · Vor einem Jahr bot sich den einrückenden ukrainischen Soldaten in Butscha ein Bild des Grauens. Die Stadt wurde zum Sinnbild für russische Kriegsverbrechen. Am Jahrestag fliegen wieder russische Raketen.
Die Ukraine hat am Freitag an die Befreiung von Butscha vor einem Jahr erinnert. „Wir werden nicht zulassen, dass es in Vergessenheit gerät“, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei einer Zeremonie in der Stadt außerhalb von Kiew mit Blick auf die Hunderten Toten, die dort nach dem Abzug der russischen Truppen entdeckt wurden. Diejenigen, die dort Kriegsverbrechen begangen hätten, würden dafür zur Verantwortung gezogen. Er betonte, dass Butscha zum Sinnbild für russische Kriegsgräuel geworden sei, die sich auch in anderen besetzten Gebieten der Ukraine fortgesetzt hätten. „Auf den Straßen Butschas hat die Welt das russische Böse gesehen“, sagte Selenskyj. „Das demaskierte Böse.“
Als die ukrainischen Truppen nach wochenlanger russischer Besatzung wieder in Butscha einrückten, waren sie mit schrecklichen Szenen konfrontiert: Leichen von Bewohnern lagen auf den Straßen, viele Opfer wurden in Massengräbern verscharrt. In abgefangenen Telefonaten nannten russische Soldaten ihr Vorgehen in Butscha „Satschistka - Säuberung“.
Selenskyj schrieb auf Telegram, mehr als 1400 Zivilisten seien nach ukrainischen Statistiken in und um Butscha um Leben gekommen, darunter 37 Kinder. Mehr als 175 Leichen seien in Massengräbern oder mutmaßlichen Folterkammern aufgefunden worden.
An der Zeremonie in Butscha am Freitag nahmen auch die Präsidentin der Republik Moldau, Maia Sandu, sowie die Regierungschefs Kroatiens, der Slowakei und Sloweniens teil. Selenskyj verlieh Orden an Soldaten, Polizisten, Ärztinnen und Lehrerinnen sowie Mitarbeiter der Rettungsdienste. Auch Angehörige von zwei Soldaten, die bei der Verteidigung der Region Kiew ums Leben kamen, wurden gewürdigt.
„Ihr Menschen der Ukraine habt die größte unmenschliche Macht unserer Zeit aufgehalten“, sagte Selenskyj. „Ihr habt die Macht aufgehalten, die keinen Respekt hat und alles zerstören will, das dem menschlichen Leben Sinn verleiht.“
Generalstaatsanwalt Andrij Kostin schrieb am Freitag auf Telegram, dass viele der getöteten Zivilisten auch gefoltert worden seien. Fast 100 russische Soldaten würden verdächtigt, Kriegsverbrechen begangen zu haben. Gegen 35 sei bereits Anklage erhoben worden. Zwei russische Soldaten wurden in der Ukraine bereits wegen Freiheitsberaubung und Plünderung zu zwölf Jahren Haft verurteilt.
„Ich bin überzeugt, dass all diese Verbrechen kein Zufall sind. Sie sind Teil von Russlands Strategie, die auf die Zerstörung der Ukraine als Staat und der Ukrainer als Nation abzielt“, schrieb Kostin. Der UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk sagte in Genf, dass sein Büro den Tod von mehr als 8400 Zivilisten in der Ukraine seit dem Beginn des Kriegs bestätigen könne. Die tatsächliche Zahl dürfte aber weit höher liegen.
Bundeskanzler Scholz (SPD) erklärte auf Twitter, die Gräueltaten hätten gezeigt, was Putins Krieg bedeute. „Auch mir haben sich die Bilder eingebrannt.“ Diese Verbrechen dürften nicht straflos bleiben. „Dafür stehen wir geeint hinter der Ukraine. Russland wird nicht siegen!“ EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sagte, russische Soldaten hätten geplündert, gefoltert, vergewaltigt und ermordet. Die kaltblütigen Hinrichtungen seien Teil eines größeren Plans, die Ukraine, ihre Unabhängigkeit und ihre Demokratie zu beseitigen.
Auch am Freitag meldete die Ukraine zwei Tote, einen in Donezk im Osten und einen weiteren in Cherson im Süden. 14 Zivilisten seien zudem verletzt worden, teilte Selenskyjs Büro mit. Zwei russische Raketen hätten unter anderem die Stadt Kramatorsk in der Region Donezk getroffen und acht Wohngebäude beschädigt. Neun russische Raketen hätten auch in Charkiw im Nordosten Gebäude, Straßen, Tankstellen und ein Gefängnis beschädigt. Bei weiteren Angriffen in der Region Charkiw habe Russland explodierende Drohnen eingesetzt.
Unter Artilleriebeschuss kam auch die Stadt Cherson im Süden. Russischer Beschuss traf auch die Stadt Saporischschja und ihre Vororte und löste mehrere Brände aus.