Krieg in Syrien So könnten die Strategien der Mächte aussehen

Moskau/Washington · Zumindest offiziell bringen den syrische Machthaber Baschar al-Assad Raketenangriffe nicht aus der Ruhe. Auch weil er mächtige Freunde hinter sich weiß. Die Frage ist nun: Was bedeuten die Militärschläge für die Beziehungen zwischen den USA und Russland? Ein Überblick über die Strategien der beteiligten Nationen.

 Raketenan- und abwehr über Damaskus in der Nacht zum 14. April 2018.

Raketenan- und abwehr über Damaskus in der Nacht zum 14. April 2018.

Foto: ap, HA

Russlands Militärstrategie: Zuvor waren sich Politiker und Experten sicher, dass es zu einer direkten Konfrontation zwischen den USA und Russland kommen werde. Nun ist der Tenor in Moskau ein anderer, auch weil Washington doch gemäßigter als angenommen reagierte. Aus Moskauer Sicht ist der Militärschlag ziemlich verpufft. Nicht einmal russische Stellungen seien angegriffen worden, die syrischen Streitkräfte hätten die Raketen mit jahrzehntealter Sowjettechnik schnell vom Himmel geholt.

Auch der kremlnahe Politologe Fjodor Lukjanow hält nun eine direkte militärische Konfrontation zwischen den USA und Russland für höchst unwahrscheinlich. "Die Ziele wurden sorgfältig ausgewählt, so dass die Situation nicht außer Kontrolle geraten wird", sagte der Herausgeber der Zeitschrift "Russia in Global Affairs".

Irgendeine Reaktion könnte aber noch kommen. Präsident Wladimir Putin ist sich aber auch bewusst, welches Eskalationspotenzial ein Gegenschlagen hat - und darauf will man zur Zeit eher verzichten.

Putins Macht speist sich innenpolitisch auch aus den aus Moskauer Sicht aggressiven Kurs des Westen. Russland sieht sich als Opfer russophober Kampagnen. Man betont immer wieder, dass die Beziehungen zum Westen so schlecht sind wie seit dem Kalten Krieg. US-Präsident Donald Trump äußerte sich ähnlich. Es ist aber völlig unklar, ob der Einsatz wirklich zu einer weiteren Verschlechterung beiträgt.

Eine neue Trump-Doktrin? Die USA vermieden bei dem Angriff sorgfältig das, was als Eskalation zwischen den Atommächten an die Wand gemalt worden war. Sie machten einen Bogen um russische oder iranische Stellungen, sahen von einer Provokation an Moskau oder Teheran ab.

Eine klare Nahost-Strategie Washingtons ist nicht erkennbar. Trump hat in seiner Rede an die Nation den Nahen Osten als einen "unruhigen Ort" markiert. Er denkt in Bezug auf Syrien in zwei Kategorien: den Kampf gegen den IS, den er für so gut wie beendet hält, und den Bürgerkrieg, aus dem er sich raushalten will. Ob seiner Regierung daran gelegen ist, eine diplomatische Initiative voranzutreiben, ist unklar. Der designierte neue Außenminister Mike Pompeo hat sein Amt noch nicht angetreten; Trumps neuer Nationaler Sicherheitsberater John Bolton ist kein Diplomat, er gilt als Haudrauf.

Für Trump geht das Thema weit über die russisch-amerikanischen Beziehungen und einen möglichen Stellvertreterkampf hinaus. In seiner Ansprache verwies er auf die anderen Mächte in der Region: Ein verstärktes Engagement Saudi-Arabiens, der Vereinigten Arabischen Emirate, Katars, Ägyptens und anderer könne gewährleisten, "dass der Iran nicht von der Vernichtung des IS profitiert". Manche, wie das Magazin "The Atlantic", nennen diese Mixtur aus Heraushalten und Interessenverteilung die "Trump-Doktrin" für den Nahen Osten.

Macrons Strategie: Dem Westen ging es bei dem Angriff auch um Glaubwürdigkeit. Es könnte auch ein Versuch sein, seine Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen: ein Wink an Russland, das felsenfest hinter dem syrischen Präsidenten steht und mit den Astana-Gesprächen versucht, eine Konfliktlösung ohne Einbindung des Westens zu zimmern. Frankreich fordert jedenfalls, dass Moskau sein Kalkül nun ändert. Man hoffe, dass Russland verstanden habe, dass man nun die Bemühungen bündeln müsse, um einen politischen Prozess in Gang zu bringen, sagt Außenminister Jean-Yves Le Drian.

Paris verspricht neue diplomatische Initiativen und will diese auf Ebene der EU-Außenminister und im UN-Sicherheitsrat vorantreiben. Dort soll ein neuer, von Frankreich vorgelegter Entwurf für eine UN-Resolution Diplomaten zufolge die drängendsten Fragen des Konflikts zugleich angehen: das syrische Chemiewaffenprogramm soll beendet und Verantwortlichkeiten von Giftgasangriffen sollen geklärt werden. Zudem sollen eine landesweite Waffenruhe und ein gesicherter Zugang für humanitäre Helfer den Weg zu einer langfristigen politischen Lösung ebnen.

Die Erfolgschancen des Entwurfs waren am Sonntag aber unklar. Angesichts der ersten russischen Reaktionen scheint es mehr als fragwürdig, wie das Patt zwischen Russland und den drei westlichen UN-Veto-Mächten im Sicherheitsrat nun gebrochen werden sollte. Zumal die Frage ist, wie weit der demonstrative Schulterschluss zwischen Washington, Paris und London in dieser Sache reicht.

Trump will sich eigentlich in Syrien heraushalten - das Land habe seine Strategie nicht geändert, wurde am Samstag schnell betont. Die Beteiligung der USA an der Suche nach einem politischen Kompromiss sei aber die "einzige Art, der russischen Dampfwalze entgegenzutreten und eine inklusive politische Lösung in Syrien zu erzielen", zitiert die Zeitung "Le Monde" einen französischen Diplomaten.

Assads Zukunft: Auf den Krieg in Syrien dürfte der Angriff vom Samstag nur begrenzte Wirkung haben. Die "klare Botschaft", von der US-Verteidigungsminister James Mattis sprach, ist ausschließlich eine Antwort auf den mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Ost-Ghuta.

Präsident Al-Assad gibt sich entspannt: Russischen Abgeordneten sagte er nach der Attacke, Syrien werde den Handlungen des Westens keine Aufmerksamkeit schenken. Al-Assad, der wieder die Oberhand in Syrien hat, nimmt nun die restlichen Rebellengebiete ins Visier.

Vor gut einem Monat ließ er sich dabei filmen, wie er höchstselbst nach Ost-Ghuta fuhr, um seinen Sieg zu demonstrieren. "Die Straße ist frei", sagte er dabei. Diese Selbstsicherheit wird ihm auch der Angriff vom Samstagmorgen nicht genommen haben.

(felt)
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