Langsam, laut, tödlich Warum Russland jetzt iranische Kamikaze-Drohnen einsetzt

Moskau · Drohnen sind auf dem Gefechtsfeld eine entscheidende Waffe geworden. Die Ukraine selbst hat damit russischen Angreifer abgewehrt. Nun feuert Russland mit iranischen Kamikazedrohnen auf Energieanlagen und Städte in der Ukraine. Wie funktionieren sie und welche Typen gibt es?

Eine Drohne ist am Himmel zu sehen. Sie schlug kurz darauf in ein Gebäude in Kiew ein.

Eine Drohne ist am Himmel zu sehen. Sie schlug kurz darauf in ein Gebäude in Kiew ein.

Foto: dpa/Efrem Lukatsky

Die Ukraine beklagt die zunehmend zerstörerische Schlagkraft iranischer Kamikaze-Drohnen vom Typ Schahed-136 bei den russischen Angriffen auf das Land. Die russische Regierung bestätigt den Einsatz nicht offiziell, doch haben Fachleute westlicher Staaten und selbst russische Militärexperten keinen Zweifel, dass Moskau von Teheran die Technologie für die Drohnen erhält. Damit setzt Russland nun auf eine Waffe, die billig ist, langsam und laut fliegt, aber wegen der Vielzahl der eingesetzten Systeme tödlich wirkt.

Warum setzt Russland diese Drohnen jetzt ein?

Russland zeigt schon lange Interesse an der von der Ukraine, aber auch von Aserbaidschan im Krieg gegen Armenien eingesetzten türkischen Kampfdrohne Bayraktar TB2. Kremlchef Wladimir Putin wollte sogar mit der Türkei eine Fabrik dazu gründen, wie sein Amtskollege Recep Tayyip Erdogan gesagt hat. Allerdings kam es dazu nicht. Wegen der Kampferfolge der Ukraine brauchte Putin rasch eine Lösung und wurde russischen Medien zufolge im Iran fündig, auch wenn die Bezeichnung der Waffe geändert wurde.

Der russische Militärexperte Semjon Bagdassarow sagte im Moskauer Staatsradio, dass die Drohnen mit dem Namen Geran - auf Deutsch: Geranie - im Einsatz seien. 2400 solle das russische Militär erhalten. Um den Iran, der ohnehin mit westlichen Sanktionen zu kämpfen hat, nicht weiter in Bedrängnis zu bringen, sei die Waffe mit dem kyrillischen Schriftzug versehen worden. Die Experten zufolge 200 Kilogramm schweren und bis zu 185 km/h fliegenden Drohnen sind in der Ukraine immer wieder mit der Bezeichnung zu sehen.

Das russische Portal Signal berichtet im Nachrichtenkanal Telegram unter Berufung auf eigene Quellen, der Iran habe den Russen die Technologie für die Produktion der Drohnen zur Verfügung gestellt. Demnach gebe es bereits drei Produktionsstätten. Weil die Herstellungskosten von 15 000 bis 20 000 US-Dollar vergleichsweise gering seien, könnten die Drohnen dafür genutzt werden, dass sich die ukrainische Flugabwehr an ihnen abarbeite, hieß es. Die Ukrainer sollen ihre Fähigkeiten also gegen die Billigwaffe abnutzen.

Wie funktionieren sie und welche Typen gibt es?

Irans Drohnenprogramm umfasst mehrere Typen. Die Schahed-136 hat einen dreieckigen Flügel und ist mit einem Gefechtskopf ausgestattet. Sie wird gewöhnlicherweise von Lastwagen abgefeuert und stürzt mit hoher Geschwindigkeit auf ihr Ziel. Die Drohnen haben Berichten zufolge eine Reichweite von gut 2500 Kilometern. Erst vor wenigen Monaten hatte der Iran eine unterirdische Drohnenbasis im Staatsfernsehen gezeigt. Experten zufolge ist der Vorteil der Drohnen vor allem ihre günstige Bauweise. Ein weiterer Typ ist die jüngst vorgestellte Kamikazedrohne „Arasch-2“. Sie ist nach Angaben der iranischen Revolutionsgarden für Angriffe auf Israel konzipiert worden. Darüber hinaus verfügt der Iran auch über bewaffnete Aufklärungsdrohnen wie etwa die „Schahed 149 Gaza“, die der amerikanischen MQ-9 Reaper („Sensenmann“) nachempfunden ist.

Was will der Iran damit erreichen und warum hält Israel sich raus?

Die Führung der islamischen Republik bestreitet bis heute, die Drohnen an Russland zu liefern. Dass aber auch ein Technologietransfer nicht unbemerkt bleibt, ist jedoch klar.

Israel hält sich in dem Konflikt bisher weitgehend zurück, um seine Beziehungen zu Russland nicht zu gefährden. Diaspora-Minister Nachman Schai forderte allerdings zuletzt, angesichts iranischer Lieferungen an Moskau müsse Israel von dieser Haltung abweichen und die Ukraine ebenfalls mit Waffen versorgen. Die offizielle Linie ist das nicht. Israel hat selbst in den vergangenen Jahren nach Militärangaben immer wieder iranische Drohnenangriffe auf sein Gebiet verhindert. Der Einsatz iranischer Drohnen in der Ukraine werde es Teheran nun ermöglichen, noch mehr Kampferfahrung zu sammeln, warnte ein israelischer Militärexperte am Dienstag. „Die Interessen, Geheimdienstinformationen und Technologie Israels sind alles Faktoren, die es Israel nahelegen, sich den kollektiven Bemühungen des Westens anzuschließen, ukrainische Städte vor iranischen Waffen zu schützen“, schrieb Ron Ben-Ischai auf der israelischen Nachrichtenseite ynet.

Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew warnte Israel allerdings mit Nachdruck vor möglichen Waffenlieferungen an die Ukraine. Dies wäre ein „sehr rücksichtsloser Schritt“, schrieb Medwedew, der Vizechef des Sicherheitsrats ist, am Montag beim Nachrichtendienst Telegram. „Er zerstört alle zwischenstaatlichen Beziehungen zwischen unseren Ländern.

Wie kann die Ukraine die Drohnen abwehren?

Die Drohnen sind langsam, fliegen in geringer Höhe und sind als einzelnes Objekt ein leichtes Ziel für konventionelle Flugabwehr, wie das britische Verteidigungsministerium schon in der vergangenen Woche schrieb. Und: „Es gibt die realistische Möglichkeit, dass Russland einigen Erfolg erzielt hat, in dem es mit vielen Drohnen zur gleichen Zeit angegriffen hat.“ Diese auch als Übersättigung bezeichnete Überlastung von Abwehrsystem ist ein bekanntes Problem, auch wenn Waffen wie das deutsche System Iris-T oder auch der Flugabwehrkanonenpanzer Gepard die Drohnen grundsätzlich abschießen können. Kiew betont, dass mehr Luftabwehr nun Priorität hat.

Welche Fähigkeiten hat Deutschland?

Schon als Aserbaidschan im Jahr 2020 den Kampf um Berg-Karabach mithilfe von Drohnen aus der Türkei entschied und Armenien besiegte, war das ein Weckruf. Die Bundeswehr hätte damals keine Chance gegen komplexe Angriffe dieser Art gehabt, warnte die Bundeswehr-Denkfabrik GIDS ein Jahr darauf in einer Analyse. Deutschland hat als politische Entscheidung lange darauf verzichtet, Technik zum Einsatz von Kampfdrohnen und auch der Abwehr aufzubauen und zu pflegen. Kleinere Partner wie Israel oder wirtschaftliche schwächere Staaten wie die Türkei und der Iran sind in Teilbereichen an Deutschland vorbeigezogen.

(albu/dpa)
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